Rot wie Schnee
aber nicht um angemacht zu werden, sondern um Fehler und Mängel zu suchen, als hätte die Zeit mit Sofia seinen Blick auf Frauen verzerrt.
Viel zu oft hatte sie ihn abgewiesen, und wenn sie dann die Initiative ergriff, war er nicht in der Lage, sie zu lieben. Ihr kaum noch vorhandenes gemeinsames Leben hatte ihn schlaff werden lassen. Es war nicht nur die physische Veränderung, viel gravierender war, dass sich seine Sicht auf Frauen verändert hatte. Frauen interessierten ihn noch wie früher. Aber der Blick war anders, und er erlebte, wie ihn Verachtung oder manchmal sogar Hass wie ein bösartiger Virus befielen.
Das Lachen einer Frau auf der Straße, der Anblick eines wohlgeformten Körpers oder eine weibliche Stimme ließen Johnny eigentlich gleichgültig. Wenn sich Gefühle einstellten, dann Verachtung oder kalte Distanziertheit. Wo er früher Freude sehen konnte, attraktive Schönheit oder vielversprechenden Optimismus, sah er immer häufiger nur Verstellung und Falschheit.
Frauen hatten sich in etwas Erschreckendes und Feindliches verwandelt.
Das Gefühl, zurückgewiesen worden zu sein, war nicht angenehm gewesen. Aber seine eigene Veränderung fand er keinesfalls erstrebenswert. In klaren Augenblicken versuchte er herauszufinden, woher das verzerrte Bild kam. Lag es nur an der katastrophalen Beziehung zu Sofia? War etwas in ihm, das diesem neuen Gefühl Nahrung gab?
|56| Sofia hatte ihn abgewiesen, und zwar nicht nur im Bett. Nach seinem Empfinden hatte sie ihn auch aus immer mehr Bereichen ihres Lebens ausgeschlossen.
»Du bist so unreif«, sagte sie immer, und er fühlte sich ertappt wie ein Kind.
Seine Verbitterung über sich selbst wuchs. Wieso hatte er zulassen können, zum Opfer zu werden? Eines Tages machte er dann das, was Sofia vielleicht schon lange gewollt hatte. Er packte seine Siebensachen und ging.
Jetzt betrachtete er die Kellnerin, die mit Feo um die Wette lachte. Johnny hörte, wie der Portugiese von dem Baby berichtete, das erwartet wurde, davon, wie glücklich er sei und mit was für einer tollen Frau er zusammenlebte, und er sah, wie die Neue strahlte.
Donald seufzte, schepperte extra laut mit einer Pfanne, und warf sie unachtsam in die Spüle.
»Kümmere dich um die Pfanne«, sagte er zu Pirjo, die auf der Stelle gehorchte und anfing, sie unter fließendem, heißem Wasser zu scheuern.
Ihr Gesicht war von der Hitze in der Küche gerötet. Sie warf Johnny einen Blick zu und strich sich die Haare aus der Stirn.
Du findest, ich bin ein alter Knacker, dachte Johnny und wünschte, er könnte ihr seine Verachtung gegenüber allen diesen kleinen Mädchen zeigen, die meinten, sie seien in der Küche die besten.
Tessie erschien wieder an der Klappe. Nach einer kurzen Ruhepause hatte der Druck im Restaurant wieder zugenommen. Die Gäste kamen in Schüben.
Johnny war klar, dass Gonzo keine große Hilfe war. Er würde doch in seiner letzten Arbeitswoche kaum noch zu Hochform auflaufen.
»Einmal Mastkalb«, sagte Tessie, aber Donald antwortete nicht.
|57| »Hast du’s oder brauchst du’s schriftlich?« Tessie klang jetzt so aggressiv, dass Donald sich umdrehte.
Er wandte ihr den Rücken zu, schnappte sich ein Stück Fleisch und warf es in die Pfanne.
»Eigentlich ist sie nett«, sagte Feo. »Alle Amerikaner glauben, dass jedermann sie hasst.«
»Warum das denn?«, fragte Eva, die sich an die Tür gestellt hatte.
»Die werfen doch überall ihre Bomben ab«, sagte Feo.
»Hier müssten die eine Bombe abwerfen«, sagte Donald.
»Dann wärst du tot«, sagte Feo.
»Ich bin tot.«
Unerwartet lächelte Donald Johnny zu, dann beugte er sich kurzsichtig über einen Teller. Sorgfältig ordnete er einige Blätter Salat an, richtete sich auf und betrachtete das Arrangement, beugte sich noch einmal vor, und nahm eine letzte Korrektur vor.
Tessie tauchte wieder auf.
»Sweet love«, sagte Donald und schob ihr den Teller zu.
Die Kellnerin starrte ihn an, aber ehe sie erneut verschwand, huschte die Andeutung eines Lächelns über ihre angespannten Züge.
»Was doch ein bisschen Diplomatie erreichen kann«, sagte Donald, und Johnny musste seine Meinung von ihm revidieren. Noch häufig würde er erleben, wie Donald aus einem geradezu verkrampften Zustand zu ironischem Schwatzen überwechselte. Er hatte im Grunde einen trockenen Humor.
Die neue Kellnerin beobachtete noch immer aufmerksam die Arbeit. Feos Einführung und sein unbekümmertes Erzählen hatten ihr wohl gutgetan, denn sie
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