Rot wie Schnee
Anrufbeantworter der Lieferanten seine Bestellungen sprach.
Anschließend setzten sie sich mit einem Bier hin. Feo rauchte schweigend und genussvoll eine Zigarette, nur eine.
»Fahr du jetzt nach Hause«, sagte Johnny, »ich kümmere mich um den Müll.«
Feo schüttelte den Kopf. »Das ist die beste Zeit«, sagte er und lächelte Johnny zu. »Wir trinken Kaffee und genehmigen uns einen Calvados. Wir müssen doch feiern, dass du hier angefangen hast.«
»Wie kommt es, dass du so gut Schwedisch sprichst?«
»Training«, antwortete Feo. »Ich spreche mit meiner Frau die ganze Zeit schwedisch, und sie korrigiert mich. Bei uns zu Hause ist es wie in einem Sprachkurs. Nur wenn du die Wörter verstehst, wirst du Mensch. Soll ich etwa wie so ein Kanake hier rumlaufen und nichts verstehen?«
»Eine Frage«, sagte Johnny. »Woher kommt Donald? Er sagte Kerala, aber das liegt doch in Indien.«
»Sein Vater war Missionar«, antwortete Feo. »Donald wohnte fünfzehn Jahre in Indien. Du solltest Donalds Bohnengerichte kosten oder seinen Lammbraten mit Joghurt. Er könnte ein indisches Restaurant eröffnen.«
Er stand auf und ging hinaus. Als er zurückkam, brachte er Espresso und Calvados auf einem Tablett mit.
»Slobodan gibt einen aus«, sagte er.
Sie tranken schweigend ihren Kaffee. Die Müdigkeit spürte Johnny wie ein angenehm taubes Gefühl im Körper. Aus dem Restaurant und von der Bar drangen Stimmen und Lachen herüber. In der Küche war es ganz still. Die beste Zeit, dachte Johnny, und sah den Calvados lange an, ehe er ihn kostete.
|64| Der Alkohol explodierte förmlich in der Mundhöhle, und er fuhr hoch, als hätte ihm jemand einen kräftigen Stoß in den Rücken versetzt. Es gelang ihm, das Glas abzustellen, ehe er zum Waschbecken rannte.
Feo beobachtete ihn, sagte aber nichts. Johnny blieb vorgebeugt stehen. Er spuckte aus und bemühte sich nach Kräften, den Brechreiz zu unterdrücken.
»Verdammt«, sagte er, als sich sein Körper einigermaßen beruhigt hatte. »Ich muss mich verschluckt haben.«
»Trink einen Schluck Wasser«, sagte Feo.
Nachdem sie an der Bar noch ein paar Worte mit Måns gewechselt hatten, trennten Johnny und Feo sich vor dem Kücheneingang des »Dakar«. Der Portugiese nahm sein Fahrrad und radelte davon. Johnny blieb stehen und sah seinem neuen Kollegen nach.
Er hätte es besser wissen müssen und gar nicht erst versuchen sollen, Hochprozentiges zu trinken. Die Übelkeit, der Brechreiz und die diffusen Schmerzen im Bauch, das hatte vor ein paar Jahren angefangen. Manchmal waren die Schmerzen wie Messerstiche. Bier ging und manchmal auch Weißwein, obwohl ihm die Freude verdorben war, mal ein Glas zu trinken, weil er immerzu mit Unwohlsein und Schmerzen rechnete. Sofia hatte ihn anfangs ermahnt, zum Arzt zu gehen, aber später schien sie das Interesse an seinem Befinden verloren zu haben, und sie kommentierte seine Grimassen nicht mehr.
Was hatte Feo geglaubt? Ahnte er, dass Johnnys Behauptung, er habe sich verschluckt, gelogen war? Feo hatte nichts gesagt, aber sein Blick verriet, dass er ihm die Erklärung nicht ganz abgekauft hatte.
Johnny ging nach Hause. Der weite Weg machte ihm nichts aus, sondern er genoss die milde und stille Nacht, die wenigen Menschen auf den Straßen störten ihn nicht. Seine neue |65| Stadt war wie ein fremdes Land. Dieses Gefühl, ein Gast, ein Fremder zu sein, ohne Verpflichtungen der Stadt und ihren Bewohnern gegenüber, würde er noch lange haben.
Wenn jemand mit ihm sprach, ihn etwas fragte oder seine Meinung hören wollte, entschuldigte er sich oft damit, er sei neu in der Stadt, nur ein zufälliger Besucher. Auf diese Weise entzog er sich aller Verantwortung.
Sofia und der Traum von einem sinnvollen Leben spukten in ihm. Er wusste, dass dieses selbst auferlegte Außenseitertum eine Verteidigungsstrategie war. Er lebte wie unter Quarantäne. Einzig die Arbeit als Koch im »Dakar« machte ihn zum Menschen, zu einem sozialen Wesen. Er suchte weder die Gesellschaft anderer, noch Herzlichkeit oder Anerkennung. Ihm war, als hätte er aus alter Gewohnheit einen Job angenommen, als der sich bot. Ohne eigenen Willen hatte er sich von seiner Schwester beeinflussen lassen und war nach Uppsala gezogen.
Es hatte Zeiten gegeben, da liebte er seine Arbeit. Aber das Ziel, ein guter Koch zu werden, war immer mehr in den Hintergrund getreten. Jetzt sah er darin die einzige Möglichkeit zu überleben, nichts weiter. Außer dem Lohn gab es noch die
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