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Rot wie Schnee

Rot wie Schnee

Titel: Rot wie Schnee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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einem Munde.
    »Sie heißt Lindell«, sagte Eva. »Ein Kind von ihr ist im Kindergarten neben der Schule, in die mein Jüngster geht.«
    »Was macht sie hier?«
    »Natürlich essen. Was hast du gedacht?«
    Feo zuckte die Achseln und lachte. Donald starrte der Kellnerin unzufrieden hinterher.
    »Wie ist die denn drauf«, sagte er.
    »Warum ist denn eine von der Polizei hier«, wunderte sich Feo.
    »Hast du doch gehört«, sagte Johnny. »Zum Essen.«
    »Ich glaub den Bullen nicht«, sagte Feo.
    »Wie war die denn drauf«, wiederholte Donald. »Gonzo ist ja kein Glanzlicht, aber der redet nicht so verdammt   …«
    Feo sah durch die Klappe nach draußen.
    »Bullen kommen nicht hierher, nur um zu essen«, sagte er. »Bestimmt zieht sie Erkundigungen ein.«
    »Gibt’s Probleme?«, fragte Johnny. »Arbeitest du schwarz?«
    Einen Moment lang sah es so aus, als wäre Feo richtig sauer. Er warf Johnny einen wütenden Blick zu, aber dann setzte er wieder seine unbekümmerte Miene auf.
    |61| »Nein, aber ich komme aus Portugal«, sagte er.
    Johnny wartete auf die Fortsetzung, aber es folgte nichts mehr. Er zuckte die Achseln.
    Pirjo, die den ganzen Abend kaum ein Wort gesagt hatte, lachte auf. Ein so trockenes, freudloses Lachen, dass sogar Donald aufschaute.
    »Ich komme aus Finnland«, sagte sie.
    »Ich komme aus Småland«, sagte Johnny.
    »Tessie kommt aus den USA«, sagte Pirjo.
    »Gonzo kommt aus Gonzoland«, sagte Feo.
    Alle Blicke richteten sich auf Donald. Tiefer Ernst schien urplötzlich das Küchenpersonal des »Dakar« erfasst zu haben, als hätte jemand die Küche betreten, um allen eine traurige Nachricht mitzuteilen.
    Der Fleischkoch wendete ein Filet in der Pfanne und sah darauf in die Runde, ließ den Blick von Johnny zu Pirjo wandern und betrachtete dann Feo nachdenklich lächelnd. Er strich sich mit einer Hand übers Kinn, während die andere ganz automatisch nach einer Bratpfanne zu greifen schien.
    »Ich bin in Kerala geboren«, sagte er nach Sekunden angespannter Stille, dann drehte er den anderen den Rücken zu und zog noch eine Pfanne vom Gestell über dem Herd. Er hielt sie einen Augenblick mit ausgestrecktem Arm über den Kopf.
    »Kerala«, wiederholte er.
    Feo fing laut an zu lachen, wurde aber sehr schnell wieder still.
    »Wo liegt das?«, fragte Pirjo.
    »Im Osten«, sagte Donald.
    »Da liegt Lempälä auch«, sagte Pirjo.
    »Und wir sind alle hier in der Küche des ›Dakar‹ versammelt«, sagte Johnny.
    Für einen Moment hatte er, trotz der Enge in der Küche das |62| Gefühl von etwas Großartigem. Er war auf einmal unendlich froh, Jönköping und Sofia verlassen zu haben.
    Er betrachtete Feo, der sich über einen Teller mit Seeteufel beugte, und ließ dann seinen Blick zum Küchenchef weiterwandern. Donald war wirklich eine komplexe Persönlichkeit. Johnny konnte noch nicht unterscheiden, wann er etwas scherzhaft meinte und wann es ihm ernst war.
    Sein Gesicht war wie gemeißelt. Schwere Wangen, eine fleischige Nase, tief liegende Augen. Seine Augen schienen die Küche als den einzig denkbaren Zufluchtsort zu betrachten und gleichzeitig als das Gefängnis für die Träume, die er sorgfältig hinter einer abweisenden Fassade versteckte.
    Donald hatte in seinen dreißig Jahren als Koch vielleicht in fünfzehn Küchen gearbeitet, und Johnny hatte schon viele dieser Küchennomaden erlebt. Gelang es ihnen, eine Art Gleichgewicht zu wahren zwischen den Arbeitszeiten bis spät in die Nacht – mit den anschließenden Nachtsitzungen, dem Alkohol – und dem Bemühen, ein soziales Leben aufrechtzuerhalten, dann konnte ihr berufliches Geschick aufblühen, und sie konnten in jeder Küche für so manchen Restaurantbesitzer wie ein Fels in der Brandung sein.
    Donald war vielleicht ein solcher Mann. Die Teller, die die Küche des »Dakar« verließen, überwachte er wie ein Habicht, und sie waren vollendet.
    »So und nicht anders«, sagte er und zeigte Johnny, wie das Mastkalb auszusehen hätte.
    »Nicht anders«, wiederholte er und wischte einen für Johnny unsichtbaren Fleck vom Tellerrand.
    Johnny nickte, betrachtete den Teller und sah ein: Da war nichts, was man hätte verschieben können. Er versuchte sich das Arrangement einzuprägen.
     
    |63| Um zehn Uhr verließ Donald die Küche. Als Johnny versprochen hatte, sich um das Saubermachen zu kümmern, ging Pirjo auch nach Hause. Er räumte zusammen, spülte ab und scheuerte den Fußboden, während Feo rasch die Vorräte durchsah und auf die

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