Rot wie Schnee
Kronen in bar bei sich gehabt. Eventuell habe er vor der Abreise Euro eingetauscht. Das müssen wir prüfen. Fredriksson kümmert sich darum, dass die Karten gesperrt |144| werden. Wir bekommen Informationen, falls etwas abgehoben wurde.«
Lindell sah auf die Uhr.
»Kindergarten?«
»Keine Eile«, sagte Ann. »Görel holt ihn heute ab.«
»Das Auto?«
»Dürfte nicht so schwer zu finden sein. Ich glaube nicht, dass er in der Wohnung ermordet wurde. Die sah völlig normal aus, sehr ordentlich, Haver zufolge.«
»Zu sauber?«
»Nein, aber Armas hatte wohl was von einem Pedanten.«
»Sollen wir uns mit der Stadtpolizei kurzschließen?«
»Ja, aber nicht mit diesem Typ aus Dalarna, Lisskog oder wie er heißt.«
»Lissvall«, grinste Ottosson. »Er war eine Zeit lang im Kommissariat für Wirtschaftskriminalität, aber dort wurden sie seiner müde.«
Lindell schien den Kollegen schon wieder vergessen zu haben, sie fuhr mit ihrem Bericht fort, sagte, wo Prioritäten zu setzen seien.
Die interne Fahndung sollte Fredriksson koordinieren. Natürlich musste Armas’ Lebensgeschichte verfolgt werden, und Slobodan Andersson musste auch auf die Finger geschaut werden.
Berglund und Beatrice sollten das Personal der beiden Restaurants verhören.
»Alles klar. Nächste Woche Dienstag haben wir ihn«, sagte Ottosson überzeugt.
Lindell nickte.
»Danke, dass du an die Krapfen gedacht hast.«
Ottosson war es wie immer peinlich, wenn er gelobt wurde.
|145| 21
E va Willman wachte früh am nächsten Morgen auf. Wie aus einem schlechten Traum fuhr sie jäh hoch. Erst langsam begriff sie die Tragweite dessen, was in den beiden letzten Tagen passiert war.
Auf einmal sah sie ihren Sohn als Kriminellen vor sich, als jugendlichen Verbrecher, und wie er rasch immer tiefer in einen Morast aus Kriminalität und Gewalt abrutschte.
»Nein!« Keuchend sank sie zurück, zog die Bettdecke enger um sich. Sie schielte nach dem Wecker. Halb sechs.
Im Leben gibt es überhaupt keine Garantien, für nichts. Keine Versicherungen halten einen schadlos. Das war ihr schon lange klar. Aber plötzlich schien die Wirklichkeit, von der man in den Zeitungen lesen konnte, so ganz nahe gerückt zu sein. Jeder trifft seine Entscheidungen für sich allein, egal wie verrückt ein anderer, wie unwahrscheinlich die Umgebung sie auch finden mag.
Welche Entscheidungen hatte Patrik getroffen? Sie hatte keine Ahnung. Sie hatte geglaubt, sie wüsste Bescheid, musste aber gerade mit überwältigender Gewissheit erleben, dass ihr Einfluss begrenzt war. Vielleicht hatte sie ihn gestern Abend, bei dem kurzen Gespräch in der Gartenkolonie erreicht? Aber wie lange würde das vorhalten?
Wer entscheidet über uns?, dachte sie. Das Leben kam ihr auf einmal so absurd vor. Nichts war vorhersehbar. Erst die Heirat mit Jörgen, zwei Kinder schnell nacheinander, dann die Scheidung, die Arbeit bei der Post, dann die Kündigung, die Freude über den neuen Job, aber für wie lange? Und nun das mit Patrik. Bislang hatte er keiner Fliege etwas zuleide getan und sich Prügeleien und dergleichen immer entzogen. Natürlich fetzten Hugo und er sich, aber das dauerte nie lange. In der Grundschule und der Mittelstufe hatte er sich oft beklagt, |146| dass die anderen zofften. Er konnte kein Blut sehen, die Blutproben beim Arzt waren eine Qual für ihn. Jetzt kam er blutig nach Hause und wurde verdächtigt, einen anderen Menschen misshandelt zu haben.
Sie stand auf und holte die Zeitung. Sie wollte wissen, ob dort etwas über die Ereignisse von gestern stand, und blätterte sie rasch durch. Auf Seite vier fand sie einen kurzen Artikel. Erneut Gewalttat in Sävja, lautete die Überschrift.
»In Sävja, im Süden Uppsalas, wurde ein zweiundvierzigjähriger Mann mit einem Messer verletzt. Das ist die bisher letzte in einer langen Reihe aufsehenerregender Gewalttaten in diesem Stadtteil. Erst letzte Woche wurde eine jüngere Frau misshandelt und im Januar ein Bus beschossen. Der Mann, der aus Uppsala stammt, war zufällig in Sävja zu Besuch, als ihn einige jüngere Männer grundlos angriffen. Den Angaben der Polizei zufolge versuchte der Mann zu fliehen, wurde aber in der Nähe der Schule eingeholt. Er wurde mit Fußtritten traktiert und erlitt am Bauch Verletzungen durch ein Messer. Sein Zustand wird als ernst, aber nicht lebensbedrohlich bezeichnet.«
Das war alles. Eva vermutete, dass die Zeitung die Meldung erst spät hereinbekommen hatte und deshalb nicht ausführlicher
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