Rot wie Schnee
Lissvall.
»Also aus Slobodan Anderssons Imperium«, sagte Haver auf einmal unerwartet laut. »Das hat nichts zu tun mit Svenssons?«
Lissvall nickte.
»Ein Name«, sagte Lindell, die nun das Ratespiel leid war.
»Armas.«
»Mehr?«
»Ich weiß nicht, wie er mit Nachnamen heißt«, musste Lissvall zugeben, »aber sicher so was schwer zu Buchstabierendes. Ich hab nie einen anderen Namen gehört als Armas.«
»Und er arbeitete für Slobodan?«
»Yes.«
Lindell warf Haver einen Blick zu.
»Ich war mit Beatrice neulich im ›Dakar‹«, sagte sie.
Lissvall grinste.
»Vielen Dank«, sagte Lindell nachdrücklich und stand auf. »Du hast wohl keine weiteren Informationen?«
»Vielleicht nicht«, sagte der Kollege und stand auch auf.
»Was für ein Idiot«, sagte Lindell, als er den Raum verlassen hatte.
»Und wie gehen wir vor?«, fragte Haver.
Lindell blickte nachdenklich auf ihre Notizen. »Armas« stand in Großbuchstaben auf dem Block. Sie war erleichtert. Sie war geradezu froh, dass der Ermordete aus der Stadt kam. |139| Ein Stockholmer, den man hier abgelegt hatte, wäre blöd gewesen.
»Wir gehen ins Lokal«, sagte sie leichthin.
Slobodan Anderssons Wohnung lag in einem hundert Jahre alten Haus östlich der Eisenbahn. Vom Polizeipräsidium konnte man da gut zu Fuß hingehen. Der Morgen war klar und frisch gewesen, aber jetzt, kurz vor zehn, wärmte die Sonne schon. Lindell musste einen Moment stehen bleiben, die Augen schließen und die Sonne genießen. Sie dachte ans »Dakar«. War Armas an dem Abend dort gewesen? Vom Personal war ihr nur die Kellnerin in Erinnerung geblieben.
Haver, der erst weitergegangen war, blieb ebenfalls stehen. Er drehte sich um und betrachtete Lindell.
»Nun komm«, sagte er.
Lindell lachte auf. Haver musste auch lächeln.
»Bei so einem Mord wirst du richtig munter, stimmt’s?«
»Vielleicht«, sagte Lindell und versuchte, Lissvalls Dialekt nachzuahmen, was ihr aber total misslang. »Nein, davon nicht«, nahm sie ihr Wort zurück. »Aber ich werde munter, wenn ich was Nützliches tun kann.«
Sie diskutierten, wie sie das Gespräch mit Slobodan Andersson am besten anlegen sollten. Erst hatten sie vorgehabt, jemanden von der Stadtpolizei mitzunehmen, sich dann aber dagegen entschieden. Lindell hatte den Kneipier mit ihrem Anruf geweckt. Ob es an den Umständen lag, weshalb er verwirrt klang, war schwer zu entscheiden. Er hatte wissen wollen, worum es ging, aber Lindell hatte nur geantwortet, dass sie sich mit ihm unterhalten wollten.
»Kann das nicht bis heute Nachmittag warten?«
»Nein, das glaube ich nicht«, entgegnete Lindell.
Nachdem Andersson ihr seinen Türcode genannt hatte, informierten sie noch Ottosson. Dann verließen sie das Präsidium.
|140| Slobodan Andersson empfing sie in einem zitronengelben Morgenrock. Die Wohnung, fünf Zimmer mit hohen Decken, Stuck und tiefen Fensternischen, war gerade renoviert worden. Lindell roch die frische Malerfarbe. Andersson bat sie, Platz zu nehmen, und bot ihnen Kaffee an, was sie ablehnten.
Lindell setzte sich, aber Haver blieb am Fenster stehen.
»Nun, womit kann ich der Polizei behilflich sein?«
Von der Verwirrung war nichts mehr zu merken.
Lindell betrachtete den Restaurantbesitzer. Sie meinte, ihn schon mal gesehen zu haben. Vielleicht im »Dakar«? Andererseits, der Mann fiel auf. Er war sehr kräftig, um nicht zu sagen fett.
Sie schätzte ihn auf ungefähr fünfzig. Am linken Zeigefinger trug er einen goldenen Ring und um den Hals eine breite Goldkette mit Amulett. Er duftete nach Parfum oder Rasierwasser.
»Sie haben einen Angestellten namens Armas, nicht wahr?«
Lindell meinte, für Sekundenbruchteile eine Veränderung in Slobodan Anderssons Gesichtszügen wahrgenommen zu haben, die auf Erstaunen, vielleicht Unruhe hinwies. Aber seine Stimme klang weiter fest.
»Das ist richtig. Armas ist seit vielen Jahren bei mir angestellt. Er ist meine rechte Hand, wie man zu sagen pflegt«, erklärte er und blickte auf seine Hände.
»Wissen Sie, wo er sich aufhält?«
Aus dem Augenwinkel sah Lindell, wie Haver ein paar Meter weiterging und neugierig in den angrenzenden Raum schaute.
»Und ob ich das weiß. Er ist unterwegs nach Nordspanien, um einige meiner Kollegen zu treffen. Die Küche des Baskenlands ist hervorragend, wie Sie sicher wissen. Armas fährt dort ein bisschen herum, sammelt Ideen, neue Rezepte und |141| lässt sich von guten neuen Weinen erzählen. Lauter Sachen, die ein
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