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Rot wie Schnee

Rot wie Schnee

Titel: Rot wie Schnee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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hättest hören sollen, was Monica gestern Abend sagte.«
    Das wollte Eva lieber nicht.
    »Und was sagt Patrik?«
    »Wir haben nicht so viel geredet«, sagte Eva und begann zu schniefen.
    »Ich komme rüber«, sagte Helen.
    »Nein, bitte nicht. Vielleicht später. Ich muss zuerst mit den Jungs reden.«
    Als sie aufgelegt hatte, blieb Eva – die Hände um den Kaffeebecher – sitzen. »Die beste Mutter der Welt« stand darauf.

22
    Z um ersten Mal seit jenen Monaten in Malmö, sechzehn war er damals und arbeitete für dieses »deutsche Schwein«, empfand Slobodan Andersson so etwas wie Beunruhigung.
    Das Gefühl war unangenehm. Es strahlte von einem Punkt oberhalb des Nabels aus. Aber seine Unruhe nahm noch zu, als er feststellen musste, was das unangenehme Gefühl in Wirklichkeit war: Angst, richtiggehende Angst.
    Das war ein Gefühl, das anderen vorbehalten blieb, nachdem er mit dem Wirt in Malmö abgerechnet hatte. Damals entdeckte er die Macht der Angst. Das scharfe Filetiermesser im Bauch, nur zwei, drei Zentimeter, aber ausreichend, dass das Blut rann und auf den gefliesten Boden der Küche tropfte. Genug, um Angst in den Augen des Deutschen aufglimmen zu sehen.
    Jetzt war er von dem Wissen, dass er von nun an einsam |150| sein würde, schier außer sich. Es gab nur einen Armas, und der lag nackt in einem Kühlfach. Dazu kam, dass Slobodan Andersson machtlos war. Als ihm bewusst wurde, dass die Polizei Armas’ Wohnung durchsuchte, dachte er als Erstes an einen Gegenangriff. Aber zu seinem Erstaunen wusste er nicht, wie er vorgehen sollte. Die Polizei hatte ihn in der Hand.
    Allerdings war er nicht sonderlich beunruhigt, dass die Polizisten in Armas’ Wohnung irgendwelche Beweise finden würden. Dazu war Armas zu klug gewesen. Doch trotz seiner Vorsicht und seines ausgeprägten Sicherheitsdenkens bestand ein Risiko. Eine eilig auf dem Rand einer Zeitung notierte Telefonnummer, ein Name in einem Adressbuch – eine Kleinigkeit konnte ausreichen, um die Polizei weiterzubringen.
    Slobodan Andersson grübelte, ob er selbst in der Wohnung oder in den beiden Lokalen etwas Kompromittierendes aufbewahrte. Es fiel ihm nichts ein. Ihm war bewusst, dass die Polizei bei ihrer Jagd nach Armas’ Mörder nichts unversucht lassen würde. Auch ihn würde man überprüfen. Das hatte er den Fragen der Beamtin entnommen.
    Er ging sein Telefonbuch durch, blätterte in seinen Aufzeichnungen, nahm sich sämtliche Schreibtischschubladen vor. Verschwitzt stand er am Ende da, starrte vor sich hin und grübelte, was seine Freiheit womöglich gefährden könnte.
    Das Risiko im »Dakar« oder im »Alhambra« war eher gering, da Armas den Laden geschmissen hatte. Slobodan kannte niemanden sonst, der so vorsichtig war wie Armas. Und jetzt? Einen Schlag gegen ihn erfolgreich durchzuziehen war eine fast unmenschliche Aufgabe. Trotzdem hatte ihn jemand überlistet.
    Als Letztes hatten sie gemeinsam den Computer ausgetauscht. Hatte Armas etwas geahnt? Hatte er sich bedroht gefühlt? Hatte er nicht etwas von »Sicherheitslücken« gesagt, die geschlossen werden müssten? Hatte er damit Rosenberg |151| gemeint? Rosenbergs Lebenswandel war Armas lange schon ein Dorn im Auge gewesen. Zwar hatte der sich seit der Aussprache gebessert, aber Slobodan wusste, dass sie im Zweifelsfall Rosenberg als Ersten sausen lassen würden.
    »Solche Schweinehunde verstehen nur eine Sprache«, hatte Armas gesagt.
    Die Unsicherheit holte ihn schleichend ein. Hatte Armas womöglich etwas vor ihm verborgen? Slobodan wies den Gedanken von sich. Armas war sein Freund gewesen, sein einziger Freund. Sie würden einander nie verraten.
    Was hatte Lorenzo über Armas gesagt? »Vielseitig.« Sie hätten sich von Jugend an gekannt. »Jugend«, was war das für dummes Zeug? In Bezug auf Armas war das ein Fremdwort. Über seine Kindheit und Jugend hatte er niemals geredet. Als sei er nie jung gewesen. Sollte dieser Lorenzo etwa Dinge über Armas wissen, von denen er, Slobodan, keine Ahnung hatte? Vielseitig? Was zum Teufel sollte das heißen?
    Slobodan Andersson lief unruhig in der Wohnung auf und ab. Auf seinem Oberhemd zeigten sich große Schweißflecke unter den Armen. Der Schmerz in der Brust, der seit einem Jahr kam und ging, wuchs sich zu einem Druck aus, der ihm das Luftholen schwer machte.
    Plötzlich klingelte das Telefon. Das ist Armas, dachte er im ersten Augenblick. Nicht viele riefen ihn in der Wohnung an: Armas, Oscar Hammer, manchmal Donald aus dem »Dakar« und

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