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Rot wie Schnee

Rot wie Schnee

Titel: Rot wie Schnee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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an. Armas hat ihm mehr bedeutet, als ihr ahnt.«
    Donald drückte sich immer so aus, als wüsste er mehr als die Übrigen. Aber sie einzuweihen, schien er nicht der Mühe wert zu finden.
    Solange es um die Küche und das Essen ging, war er die Nummer eins, und das stellte niemand infrage. Aber häufig spielte er auch bei anderen Sachen seine Überlegenheit aus. Bei Politikthemen belächelte er Feo meistens.
    Feo lag daran, dass wieder gute Stimmung in der Küche herrschte, und deshalb ging er auf Donalds arroganten Ton gar nicht ein.
    »Wer Armas die Kehle aufgeschlitzt hat, muss schnell gewesen sein«, sagte er. »Mit Armas spielte man nicht.«
    |204| »Vielleicht ist es ja im Bett passiert«, warf Donald ein.
    »Wie bitte?«
    »Das habt ihr doch gewusst, oder? Dass Armas schwul war?«
    »Das glaub ich nicht«, sagte Feo.
    »Frag doch Nicko im Videoeck«, sagte Donald nonchalant. »Einmal kam Armas rein und hat zwanzig Schwulenvideos auf einmal ausgeliehen. Dann ist man heiß.«
    »Ach nee, das glaub ich nicht«, platzte Pirjo heraus.
    Alle sahen den Lehrling an. Pirjo bekam sofort einen knallroten Kopf.
    »Aha«, feixte Feo, »das glaubst du nicht? War er vielleicht hinter dir her?«
    Pirjo wandte sich ab.
    »Kümmere dich nicht um uns!«, sagte Donald. Es war das erste Mal, dass er die schüchterne Pirjo in Schutz nahm, der es so schrecklich schwerfiel zu sagen, was sie wollte oder dachte. Aber jetzt drehte sie sich um.
    »Ihr redet schlecht über Tote«, sagte sie heftig. »Als Armas lebte, habt ihr nichts gesagt, jedenfalls nicht zu ihm. Stimmt das nicht?«
    Feo nickte. Donald betrachtete sie neugierig.
    »Du hast recht«, sagte er. »Wir sind Feiglinge. Alle, die in der Küche arbeiten, sind Feiglinge, das musst du noch lernen. Wer ein bisschen Courage hat, der nimmt sein Messer und geht. So ein Koch ist unglücklich.«
    »Unglücklicher als der feige?«, fragte Feo.
    »Ja«, antwortete Donald.
    »Trittst du deshalb nicht in die Gewerkschaft ein?« Johnny bereute seine dreiste Frage sofort.
    »Wo hast du das denn her? Nein, nicht deshalb, und das könnte dir auch klar sein.«
    Es war Johnny klar. Bei der Arbeitsdisziplin, die Donald an den Tag legte, und bei den Tellern, die er präsentierte, war das |205| Risiko minimal, dass ihn ein Arbeitgeber schlecht behandelte. Selbst wenn er Gewerkschaftsmitglied wäre. Dafür war er zu kostbar.
    Sie arbeiteten die ganze Zeit weiter. Nur Eva stand passiv dabei. Bis zum offiziellen Beginn ihrer Arbeitszeit fehlte noch eine Viertelstunde.
    Sie wollte von der neuen Welt, die sich da vor ihr auftat, so viel wie möglich in sich aufnehmen. Der Ton war hier so ganz anders als im Postamt. Vielleicht lag es am Stress, dass er rauer war. In ihrem alten Job hatte es auch Hektik gegeben. Aber die Hitze von den Herden, das Klappern von Geschirr und Besteck, der Dampf aus Töpfen und Pfannen, plötzlich zischende Fleischstücke und die mahnenden Rufe der Kellnerin – all das schuf eine Atmosphäre von nie nachlassendem Hochdruck.
    »Eva, kannst du mir mal helfen?«
    Johnny bestückte den Kühlschrank.
    »Wie geht es mit den Jungen?«, fragte er leise.
    »Gut«, sagte Eva.
    Er hielt ihrem Blick stand.
    »Patrik hat angefangen zu reden«, fuhr sie fort. »Aber er hat Ausgangsverbot.«
    Sie sah sich selbst, gespiegelt in der Rolle mit der Alufolie, die an der Wand hing. Bis sie ein Stück abriss und es Johnny gab, war ihr Gesicht wie in tausend Falten zerknittert.
    »Was meint die Polizei?«
    »Später, okay?«
    Johnny nickte.
    »Danke dir für die Hilfe«, sagte er, und Eva ahnte, dass diese halbe Minute gegenseitiger Hilfe für Johnny genauso wichtig war wie für sie.
    »Wir können doch irgendwann mal einen Kaffee zusammen trinken«, sagte sie. »Also vor Arbeitsbeginn.«
    Er nickte und schielte zu den Kollegen hinüber.
    |206| »Dann könnt ihr eine Gewerkschaftsgruppe bilden«, sagte Donald, der ihnen den Rücken zuwandte. Er drehte sich um und sah sie belustigt an.
    »Nur, wenn du mitmachst«, sagte Eva und segelte aus der Küche.
     
    Es war zehn, als Eva nach Hause kam. Ihre Füße waren müde, und die Kopfschmerzen wollten nicht nachlassen. Trotzdem fühlte sie sich zufrieden. Sie dachte dankbar an Tessie, die hatte Eva früher gehen lassen. Keiner schien es noch so genau zu nehmen, und Tessie zeigte Verständnis, wenn Eva in die Küche lief und zu Hause anrief.
    Patrik hatte jedes Mal abgenommen. Seine Stimme hatte irritiert geklungen, aber als sie kam, saß er in der Küche

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