Rot wie Schnee
und wartete auf sie.
Hugo war in seinem Zimmer. Sie hörte die typischen Geräusche eines Computerspiels. Eva öffnete die Tür einen Spalt weit und begrüßte ihn. Sein angespannter Rücken und die konzentrierte Miene bezeugten immer, wenn in den Spielen, mit denen er sich meist die Zeit vertrieb, etwas Entscheidendes geschah.
Sie ging ins Bad und holte sich zwei Spalttabletten.
»Habt ihr etwas gegessen?«
Patrik nickte und sah zur Spüle. Sie hatten sogar das Geschirr in die Maschine geräumt und die Spüle abgewischt.
Sie lachte und fuhr ihm mit der Hand durch die Haare.
»War es cool?«, fragte er.
»Viel Betrieb«, sagte Eva. »Aber ich durfte früher gehen. Wenn diejenigen, die zum Essen gekommen sind, durch sind, geht es meist nur noch um Drinks und so. Und darin bin ich noch nicht so gut. Der Barkeeper hat gesagt, er will mir ein bisschen was beibringen. Ich kenne ja noch nicht mal alle Biersorten.«
»Was haben sie zu dem ermordeten Typ gesagt?«
|207| »Keiner weiß was, es wird nur viel geredet.«
»War er okay?«
Eva zuckte die Achseln.
»Ich bin ihm zweimal begegnet, und er hat vielleicht fünf Worte zu mir gesagt. Und du, was hast du gemacht?«
»Nichts«, sagte Patrik.
»Wollen wir Tee trinken?«
Patrik setzte Teewasser auf, und sie deckte den Tisch.
»Hugo will nichts«, sagte er.
Als sie am Tisch saßen, fing Patrik an zu erzählen. Er hatte offenkundig darüber nachgedacht und sich sogar schon eine Einleitung zurechtgelegt, merkte Eva.
»Weißt du, Zero ist eigentlich nicht dumm. Er fällt nur so leicht auf Sachen rein, das ist sein größter Fehler. Er will gern der King sein, aber er weiß nicht, wie man es anstellt.«
Der King sein heißt, beliebt zu sein, vermutete Eva. »Hat er sich gemeldet?«
Patrik nickte und trank einen Schluck. Eva wartete.
»Was macht ihr?«, rief Hugo auf einmal.
»Kann dir scheißegal sein«, schrie Patrik.
»Patrik!«
»Er ist so bescheuert.«
»Was hat Zero gesagt?«
»Er versteckt sich.«
Eva fragte sich, wo sich ein fünfzehnjähriger Junge verstecken konnte.
»Der traut sich nicht nach Hause. Sein Bruder wird ihn verprügeln.«
»Hat er sich bei seiner Mutter gemeldet?«
»Er hat angerufen, aber sie hat die ganze Zeit geheult.«
»Was hat er zu dir gesagt?«
Patrik sah auf. Er zögerte erst, dann erzählte er, dass Zero seit ein paar Monaten in Sävja Drogen verkaufte. Ein Mann |208| kam und gab ihm die Drogen, und er sollte sie an seine Kumpels verkaufen.
»Der verdient so viel, das ist echt krank. Manchmal mehrere Tausend. Er will in die Türkei fahren und seinen Vater befreien, sagt er.«
»Was ist an dem Abend eigentlich passiert?«
»Da kam dieser Typ mit mehr Drogen, aber Zero wollte nicht weitermachen. Er hatte Angst, aber das hat er nicht gesagt. Stattdessen fing er mit diesem Rassismusgerede an. Der Typ machte Stunk, und da hat Zero zugeschlagen.«
»Und du? Was hast du gemacht?«
Eva gab sich die größte Mühe, ruhig zu bleiben. Eine falsche Bemerkung oder ein Zeichen von Empörung, und Patrik würde womöglich nichts mehr sagen.
»Hab Zero geholfen«, murmelte er. »Dann sind wir abgehauen.«
»Das war, als du blutig nach Hause kamst?«
Patrik nickte. Eva sah, dass ihm jeden Moment die Tränen kommen konnten. Sie war so unglaublich dankbar, dass er ihr gegenübersaß, dass er erzählte und dass er weinen konnte.
»Und dann, am nächsten Abend?«
»Da kam ein anderer Typ. Wir waren oben bei der Schule, hingen nur ab und redeten. Dann kam dieser Typ und quatschte uns an. Erst hab ich geglaubt, das sei einer von den Bullen.«
»Das war der, der mit dem Messer verletzt wurde?«
»Der hat angefangen!«
Eva nickte.
»Wessen Messer war’s?«
»Zeros.«
»Hast du ein Messer?«, fragte sie und bereute es sofort, als sie Patriks Miene sah.
Die Geräusche vom Computer waren verstummt. Eva war überzeugt, dass Hugo lauschte.
»Egal«, sagte sie, »erzähl weiter!«
|209| »Er hat Zero angemacht, erzählte was, dass er ihm Geld schuldig sei und dass er doch bestimmt wüsste, wie es Leuten ergeht, die nicht bezahlen. Der war total scheiße drauf!«
»Und was hat Zero gemacht?«
»Nichts! Der hatte Schiss, das hab ich ihm angesehen. Dann verlangte der Typ, dass Zero mit zum Auto kommt. Aber das wollte er nicht. Er rannte los. Der Typ holte ihn ein und warf Zero zu Boden. Das ging alles so scheiße schnell. Zero riss sich los und dann nahm er das Messer. Dann lag er einfach da, dieser Typ.«
»Und das hast du der
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