Rot wie Schnee
hörte er.
Er öffnete die Tür, und davor stand ein älterer Mann. Konrad meinte, er wohne im Nachbarhaus.
»Entschuldigen Sie die Störung, aber ich sah …«
»Mein Auto?«
»Ja, der Mercedes unten auf der Straße ist doch Ihrer, oder? Jemand hat ihn demoliert.«
»Demoliert?«, wiederholte Konrad dumm. Dann zog er Schuhe an und rannte die Treppe hinunter. Als ihm einfiel, es könnte sich um eine Falle handeln, ging er langsamer. Aber die Unruhe wegen des Mercedes war zu groß.
Jemand hatte einen scharfen Gegenstand über die gesamte Seite gezogen, von den Scheinwerfern über die Türen bis zum Rücklicht. Auf der anderen Seite dasselbe.
Während er fassungslos auf das Auto starrte, hatte ihn der alte Nachbar eingeholt und erklärte, er habe den Schaden entdeckt, als er vom Einkaufen kam.
Konrad war wie gelähmt, er konnte nicht mal fluchen. Sein Auto, sein Mercedes, geschändet von irgendwelchen Jugendlichen.
»Das ist wirklich niederträchtig, was die heutzutage anstellen«, sagte der Nachbar. »Nicht mal so ein schönes Auto lassen sie in Frieden.«
Mit einem Mal ging Konrad auf, dass dahinter vielleicht gar nicht irgendwelche Rowdys steckten. Er sah sich um. Womöglich steht dieser Teufel irgendwo und grinst höhnisch, dachte er und fragte den Nachbar, ob er auf dem Weg zum Geschäft eine verdächtige Person gesehen hätte. Inzwischen war noch ein Nachbar dazugekommen. Irgendwie fühlte Konrad sich von der Aufmerksamkeit geehrt. Ihm fiel ein, |218| dass ihn der Nachbar »Herr Rosenberg« genannt hatte. Auch wenn das Durchschnittsalter hoch war, gab ihm die Gesellschaft der beiden Nachbarn eine gewisse Sicherheit.
»Rufen Sie die Polizei an«, sagte der Nachbar. »Auch wenn die nichts tun, müssen Sie das anzeigen.«
Konrad hörte nur mit halbem Ohr hin. Das Wort »Polizei« machte ihn nervös. Dann wurde er noch wütender.
»Was das wohl kostet, den neu zu lackieren?«, fragte der andere Nachbar, und Konrads Wut stieg weiter.
»Ich geh hoch und rufe an«, sagte er und ließ die beiden Männer auf der Straße stehen.
Konrad ahnte, dass dies kein gewöhnlicher Dummejungenstreich gewesen war, sondern eine Mahnung von einem Unbekannten, der offenbar zu allem fähig war. Während er langsam die Treppe hinaufstieg, klang die Wut ab. Stattdessen wuchs die Unruhe. Was mochte dahinterstecken? Dass Armas ermordet wurde, ließ sich erklären. Konrad und Slobodan Andersson hatten eine Reihe von Motiven diskutiert. Aber ein Haus anzünden und vor allem ein Auto zerstören, das war so unlogisch, dass es ihn erschreckte.
34
E s gibt Augenblicke im Berufsleben eines Polizisten, da wird der rote Teppich ausgerollt. So erlebte Barbro Liljendahl es jedenfalls. Seine Länge zeugte von einer Reihe unvorhergesehener Erlebnisse und Entdeckungen, auch Routineaufgaben, und natürlich jeder Menge Arbeit, von Stunden, Tagen, Wochen voller Stress. Aber das ist wohl der Lohn, dachte sie.
Seit der Messergeschichte in Sävja hatte sie das Gefühl, dass sich dahinter Zusammenhänge mit einigen anderen Fällen |219| verbargen. Es war wie ein Faden, den sie zu fassen bekommen hatte. Nun konnte sie anfangen, das Knäuel aufzuwickeln.
Nachdem sie den Telefonhörer aufgelegt hatte, saß sie noch lange da und überlegte. Am meisten beschäftigte ihre Gedanken der Junge Zero. Ein hohes Maß an Geschick und taktischem Vorgehen würde nötig sein, um auf die Bedingungen einzugehen, die er gestellt hatte. Er wollte auf keinen Fall dafür angeklagt werden, Sidström mit dem Messer verletzt zu haben.
Sonst würde er nicht reden. Barbro Liljendahl war sich bewusst, dass sie sich in der Klemme befand. Würde er der Tat angeklagt und verurteilt, wäre der Faden verloren.
Sidström würde niemals zugeben, dass er Zero von früher kannte. Er hatte keinen Grund, irgendeine Gerechtigkeit zu suchen, sondern würde es vorziehen, zu schweigen. Solange Zero, der ihm den Bauch aufgeschlitzt hatte, ebenfalls schwieg, war Sidström zufrieden. Die Verletzung würde heilen, vielleicht bekäme er sogar noch etwas aus dem Fonds für Gewaltopfer. Dann würde er wieder zu seinen Geschäften zurückkehren. Zero hingegen, würde er verurteilt, hätte ein ziemlich tristes Schicksal vor sich.
Barbro Liljendahl hatte schon so viel Kriminalität bei Jugendlichen erlebt. Ihr war klar, dass man ihn wahrscheinlich in anderen Ermittlungen wiedersehen würde. Der Junge konnte gerettet werden, aber nur, wenn er der Anklage entging. Das würde ihm
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