Rot wie Schnee
Getreidefelder, gerade abgeerntet, die bräunlichen Stoppeln reichten bis in die Ferne. Er sah schöne Hügel, auf denen Vieh weidete. Als er vorbeifuhr, hoben die Tiere die Köpfe und schienen ihm hinterherzublicken. Sofort war er in besserer Verfassung.
Am Horizont tauchte der Dom mit dem spitzen Turm auf. Tausende schwarzer Vögel kämpften am Himmel in wogenden Formationen gegen den kräftigen Südostwind. Sie waren wie Manuel in Richtung Stadt unterwegs.
Vor der nördlichen Einfahrt nach Uppsala hielt er und orientierte sich auf der Karte, um den besten Weg zu »K. Rosenberg« zu finden – der Name hatte an der Tür des Mannes gestanden.
Er parkte vor einem Einkaufszentrum, überquerte die Straße und ging das letzte Stück bis zum Haus zu Fuß.
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V on Kindesbeinen an wachte Konrad Rosenberg morgens sehr früh auf. Seine innere Uhr ließ ihn immer schon vor sechs Uhr wach werden. Es gefiel ihm nicht, das hatte es nie. Aber da machte sich ein Erbe von Vaterseite her geltend. Karl-Åke Rosenberg war jeden Morgen um fünf Uhr aufgestanden, hatte herumgekramt und Kaffee gekocht und mit der Zeitung geraschelt. Als Jüngster hatte Konrad in der Küche auf der Ausziehbank schlafen und sich damit abfinden müssen, geweckt zu werden.
Die Macht der Gewohnheit war groß, und so wachte er auch an jenem Morgen schon um halb sechs auf. Er musste aufs Klo, und er hatte wahnsinnige Kopfschmerzen. Er blieb noch eine Weile liegen, aber er konnte nicht wieder einschlafen. Punkt sechs stand er auf und ging ins Bad.
Am Vorabend hatte er gesoffen, und zwar richtig, so wie in den guten alten Tagen. Nur mit dem Unterschied, dass er dieses Mal allein getrunken hatte. Vielleicht war es deshalb auch so viel geworden.
Als er sich den ersten Longdrink einschenkte und sich zuprostete, fand er das ungewöhnlich, fast feierlich. Nach dem dritten war nichts Feierliches mehr dabei, das war nur noch zielstrebiges Saufen. Nach dem vierten hielt Konrad einen langen verbitterten Monolog über den »Fettsack von einem Koch«, der glaubte, er könne über Konrad Rosenberg bestimmen.
Konrad hatte nämlich einen Brief bekommen, der nicht wie gewöhnlich zugestellt worden war, sondern den jemand in seinen Briefkasten gesteckt hatte. Er war mit der Maschine getippt und nicht unterschrieben, aber vom Inhalt her war Konrad überzeugt, zu wissen, wer der Briefschreiber war. Slobodan Andersson musste jemanden angeheuert haben, der |216| ihm den Brief überbrachte. Um selbst in Tunabackar aufzukreuzen, dazu war er sicher zu feige.
Slobodan Andersson schrieb, sie dürften auf keinen Fall irgendeinen wie auch immer gearteten Kontakt haben, weder miteinander telefonieren noch zusammen gesehen werden. Er schärfte Konrad ein, zu Hause zu bleiben, er solle »nur einkaufen und dann direkt wieder nach Hause gehen«. Als wäre Konrad ein Kind! Er dürfe sich nicht »in gefährliche Situationen« begeben, nicht abends ausgehen, »keinen von unseren gemeinsamen Bekannten kontaktieren« oder irgendetwas unternehmen, was das Interesse von »Unbekannten, mit denen wir nicht bekannt werden wollen« wecken könnte. Konrad vermutete, dass damit die Polizei gemeint war.
Erst fand er das alles lächerlich und war versucht, Slobodan Andersson anzurufen. Aber er sah doch ein, dass es klüger war, sich zunächst einmal bedeckt zu halten. Der Brand war zwar ein Rückschlag, aber keine Katastrophe. Sein Bruder würde mit Sicherheit kein Wort darüber verlieren, dass er, Konrad, die Hütte genutzt hatte. Der Bruder wollte nur das Geld von der Versicherung.
Er schaltete das Radio ein, stellte es aber sofort wieder ab. Normalerweise würde er nach unten zum Kiosk gehen, vielleicht in die Stadt fahren und sich dort ein paar Stunden die Zeit vertreiben. Er überlegte, seinen Bruder anzurufen, aber das würde den nur nervös machen.
Kurz nach elf klingelte es. Konrad zuckte zusammen. Er hatte keine Ahnung, wer das sein mochte. Die alten Saufkumpane hatten sich seit Monaten nicht mehr blicken lassen, und sonst besuchte ihn niemand.
Er ging leise zur Tür und lauschte. Er meinte, ein Keuchen zu hören, sagte sich aber, das sei wohl Einbildung. Niemand kann so laut atmen. Doch als er vorsichtig durch den Briefschlitz spähte, hörte er das Keuchen sehr deutlich.
|217| Wieder klingelte es. Konrad brach der Schweiß aus, aber dann nahm die Neugier überhand, und er richtete sich auf.
»Wer ist da?«, rief er.
»Herr Rosenberg, mit Ihrem Auto ist was passiert!«,
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