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Rot wie Schnee

Rot wie Schnee

Titel: Rot wie Schnee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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hoffentlich eine Lehre sein. Und Barbro Liljendahl konnte den Faden weiterverfolgen.
    Sie beschloss, Ann Lindell aufzusuchen. Sie hatten über den Fall geredet, als sie sich im Krankenhaus trafen. Aber es lag auch eine gewisse Berechnung darin, zu ihrer Kollegin Kontakt aufzunehmen.
    Barbro Liljendahl arbeitete im Kommissariat für organisierte Kriminalität, und oft mit Harry Andersson zusammen. |220| Er war schon gut, konnte einem aber manchmal sehr auf die Nerven gehen. Er hatte so eine Art, ihre Arbeit herabzusetzen, und verband das dann gern noch mit saftigen Macho-Kommentaren. Er meinte es ja vielleicht witzig, aber es war und blieb doch nur plump. Wenn sie protestierte, lachte er sie aus und sagte, sie sei überempfindlich.
    Sie wollte die Abteilung verlassen und ins Kommissariat für Gewaltverbrechen wechseln. Vielleicht konnte Ann Lindell ja ein Wort für sie einlegen. Barbro gefiel, wie ihr die Kollegin bisher begegnet war. Außerdem hatte sie schon auf der Polizeihochschule Beatrice Andersson kennengelernt, und nicht zuletzt hatte sie gehört, dass der Chef, Ottosson, ein freundlicher und zurückhaltender Mensch war.
    »Das wird knifflig«, sagte Lindell, als Barbro ihren Bericht zu Ende gebracht hatte. »Wenn wir daraus Notwehr machen könnten, dann könnte der Staatsanwalt das Ganze unter Umständen aus einer anderen Perspektive betrachten. Mit Fritzén lässt sich ja reden, aber diese Neue, du weißt schon, die mit den Ohrringen, die wirkt so – wie soll ich sagen   –, so rigide.«
    »Ich weiß, dass du mit dem Mord am Fluss mehr als genug zu tun hast. Aber vielleicht können wir Sidström gemeinsam verhören? Du kannst das doch mit einem möglichen Zusammenhang begründen.«
    »Der schwach ist.«
    »Ich weiß. Aber mir tut der Junge irgendwie leid«, sagte Barbro. »Die ganze Familie ist völlig aus dem Häuschen. Die machen ihm das Leben zur Hölle, wenn er angeklagt wird. Die meinen, er erniedrige die ganze Sippe. Sein Vater sitzt außerdem in der Türkei im Gefängnis.«
    Lindell schwieg nachdenklich.
    »Du weißt, wie es für einen wie Zero läuft.« Barbro Liljendahl ließ nicht locker.
    »Okay«, sagte Ann Lindell schließlich. »Aber zuerst muss |221| ich mit Ottosson reden. Bist du die Liste mit Sidströms Bekannten durchgegangen?«
    »Ja, ich habe mit einigen geredet. Drei sitzen.«
    »Es gibt da einen Namen, und auf den hab ich gleich reagiert. Rosenberg. Hast du ihn verhört?«
    »Nein, er und drei, vier andere sind noch übrig.«
    »Okay. Dann lass uns in die Klinik fahren und hören, was unser angestochener Freund zu erzählen hat.«
     
    Lindell wusste nicht richtig, warum sie mitmachte. Sie sollte es wirklich nicht tun. Ottosson hatte gezögert, war aber auf eine fast kindliche Weise geschmeichelt, dass sie um seine Zustimmung bat.
    Kurze Zeit später betraten sie und Liljendahl mit einer gewissen Erwartung die chirurgische Abteilung. Sie war neugierig, wie ihre Kollegin mit der Situation umgehen würde.
    Sidström saß zusammengesunken auf einem Stuhl. Das Kinn ruhte auf der Brust, die Arme lagen auf den Lehnen. Die mageren, sehnigen Hände zuckten kaum merklich.
    »Wovon der wohl träumt?«, flüsterte Lindell.
    Er sah beträchtlich älter aus als zweiundvierzig. Lindell vermutete, dass der graue Teint Ergebnis jahrelangen Drogenmissbrauchs war. Sicher waren seine Arme und vielleicht auch die Beine voller Narben von den Spritzen.
    Liljendahl zufolge war er seit einem Jahr clean. Ann fragte sich, wie er wohl auf die Narkose und die Schmerzmittel reagiert hatte. Das letzte Verfahren gegen ihn lag drei Jahre zurück, damals war es um Einbruch gegangen.
    »Olle«, sagte Liljendahl.
    Der Mann reagierte unmittelbar, indem er den Kopf in den Nacken warf. Aber er wachte nicht auf. Liljendahl fasste ihn behutsam an der Schulter an. Die Berührung und dann noch mehr seine wässrigen Augen erfüllten Ann Lindell mit Widerwillen, fast schon Ekel.
    |222| »Verdammt, was ist los?«
    »Zeit, aufzuwachen«, sagte Liljendahl.
    Der Mann sah sich verwirrt um, begriff, wer ihn da besuchte, und setzte sich schnell aufrecht hin.
    »Verdammter Mist«, sagte er nachdrücklich und verzog unwillig das Gesicht.
    Er verzog es noch mehr, als Liljendahl, nachdem sie Ann Lindell vorgestellt hatte, ein kleines Aufnahmegerät aus der Tasche genommen und die erforderlichen Angaben für ein Verhör daraufgesprochen hatte. Als Erstes fragte sie, wie viel Kokain er in der letzten Zeit verkauft hatte.
    »Was zum Teufel

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