Rot wie Schnee
»Da ist was im Busch. Ich glaube, es lohnt sich, Rosenberg im Auge zu behalten.«
»Viel Glück«, sagte Lindell, überzeugt, dass es dafür keine Kräfte gab, und froh, dass die Kollegin sie nicht mehr in die Ermittlungen zur Messerstecherei in Sävja einbinden wollte.
»Noch eins«, sagte Liljendahl. »Rosenberg qualmte wie ein Schlot, und die Streichholzpackung war Reklame für das Restaurant ›Dakar‹. Ist das nicht die Kneipe, in der Armas arbeitete?«
»Sicher.«
»Ich hab überlegt, ob du vielleicht dem Personal ein Foto von Rosenberg vorlegen willst.«
Lindell hörte, wie zufrieden Liljendahl klang. Diese Information hatte sie offenbar zurückgehalten, um sie wie nebenbei anzubringen.
»Vielleicht«, antwortete Lindell.
Sie hatte eigentlich etwas Ermunterndes sagen wollen, ließ es dann aber sein.
Sie beendeten das Gespräch, und Lindell nahm sich ihren Block vor. Sie zeichnete auf ein neues Blatt Kreise und Pfeile.
In den großen Kreis schrieb sie »Dakar«. Davon ausgehend zeigten Pfeile in alle Richtungen zu Namen von Orten und Personen, die bisher in den Ermittlungen in Erscheinung getreten waren. Eine Weile starrte sie auf ihren Versuch, eine Übersicht herzustellen. Schließlich schrieb sie in die linke Ecke »Mexiko?« und zog von dort einen Strich zu Armas.
Dann rief sie Ola Haver an, berichtete ihm von der Tätowierung und den Streichhölzern bei Rosenberg und bat den Kollegen, alle verfügbaren Informationen zu dem einstigen User zusammenzustellen und ein Foto von ihm auszudrucken.
|243| Sie lehnte sich zurück, schlüpfte aus den Schuhen, legte die Füße auf den Schreibtisch und pfiff einige Takte aus einem Song von Simon & Garfunkel. Sie pfiff falsch.
40
E va Willman sah ihn schon von Weitem. Er war nicht zu verkennen: der breite Rücken, der massige Nacken und die kahle Stelle auf dem Hinterkopf. Mit hochgezogenen Schultern, den Kopf gesenkt wie ein Stier, bahnte sich Slobodan Andersson seinen Weg. Entgegenkommende schob er beiseite.
Er wird mal an einem Herzinfarkt sterben, dachte Eva, und ließ die Füße auf den Pedalen ruhen. Langsam rollte sie weiter, an dem Wirt vorbei, der sie nicht bemerkte, dann trat sie wieder kräftiger. Schnell radelte sie bis zum Gamla Torget, dort machte sie Pause.
Die Fahrradtour von Sävja hierher hatte ihr gutgetan. Ein Blick auf die Uhr zeigte ihr, dass sie einen neuen persönlichen Rekord aufgestellt hatte. Slobodan kam auf der anderen Straßenseite näher. Eva drehte sich zum Fluss um, beugte sich über das Geländer und starrte ins Wasser. Zwischen den Steinen auf dem Grund war ein Fahrrad zu erkennen.
Von dem schnell fließenden Wasser wurde ihr leicht schwindelig, und sie sah zum Himmel und lächelte. Trotz des Problems mit Patrik war sie glücklich. Das alles steht mir zu, dachte sie. Sie fühlte sich stark, schon allein, weil sie mit dem Fahrrad bis in die Stadt fuhr, denn das waren bestimmt acht, neun Kilometer.
Manchmal machte sie unterwegs kurz die Augen zu, horchte auf das Schwirren der Reifen und genoss den Wind im Gesicht.
Ihr war aufgefallen, dass es jeden Tag dieselben Menschen |244| waren, die in die Stadt radelten. Manchen nickte sie inzwischen schon zu. Ein älterer Mann mit Fahrradhelm und Packtaschen hatte ihr sogar einmal etwas zugerufen, als sie sich bei Lilla Ultuna begegnet waren. Die Worte verstand sie nicht, aber seinen freundlichen Blick.
Der Wirt war inzwischen an ihr vorbeigegangen, er passierte nun das Schwimmbad und die alte Bibliothek. Sie fragte sich, wohin er unterwegs war. Gemessen an seinem Leibesumfang legte er ein ziemliches Tempo vor.
Eva schaute ihm nach und meinte zu sehen, wie er nach rechts in die Linnégatan abbog. Ein bisschen fürchtete sie sich immer noch vor ihm. Einen wie Slobodan Andersson hatte sie bisher nie getroffen.
Überhaupt waren ihr die Menschen in der Restaurantbranche fremd. Ihr Umgangston war rauer, sie waren schneller mit Worten, als sie es bisher kannte. Sie würde sich schon daran gewöhnen, da war sie sicher, aber noch fehlten ihr die vertrauten Kollegengespräche vom alten Arbeitsplatz. Hier hatte sie eigentlich nur zu Feo Kontakt. Aus Johnny mit seinen Stimmungsschwankungen und der traurigen Miene wurde sie nicht schlau. Von Feo hatte sie erfahren, dass Johnny gerade eine Beziehung zu einer Frau beendet hatte und aus seiner Heimatstadt Jönköping mehr oder weniger geflohen war.
Er braucht das Kochen, hatte Feo gesagt. Er braucht uns, er braucht ein bisschen Wärme von
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