Rot
eingezahlt. Menschenskind, das nimmt ja allmählich Gestalt an und ergibt ein sinnvolles Ganzes.«
»Bestimmt müsste eure Koordinierungsgruppe darüber informiert werden«, schlug der Hauptwachtmeister vor.
Im selben Moment ging die Tür auf. »Du gehst nicht an dein Handy, obwohl die Proben aus Eeva Vanhalas Ferienhaus angeblich so verteufelt dringend waren«, sagte der langhaarige Mitarbeiter des Kriminaltechnischen Labors, schaute dabei Nyman an und kam dann herein.
»Was habt ihr gefunden?«, fragte Nyman erfreut.
»Die Gebäude sind fast vollständig niedergebrannt, brauchbare Proben haben wir nur an den Fahrerhandschuhen und dem Schutzanzug nehmen können, die in der Tür des Schuppens lagen. Die Neoprenhandschuhe der Marke Scott enthielten ausreichend Hautzellen, um eine DNA-Probe zu gewinnen, aber auch mit deren Hilfe wurde der Mann nicht identifiziert, er ist in keinem Register irgendeines Landes enthalten. In den Hosenboden des aus mehrschichtigem Faserstoff hergestellten Polypropylenschutzanzugs aus Deutschland waren Fliedersamen eingedrungen. Die könnten von dem Auto stammen, das er benutzte«, verkündete der Mann von der Spurensicherung.
Im Beratungsraum machte sich erwartungsvolles Schweigen breit.
Es dauerte eine Weile, bis dem Kriminaltechniker klar wurde, dass er fortfahren sollte. »Die Samen stammen von irgendeiner seltenen Sorte …« Er suchte in seinen Unterlagen. »Vom Edelflieder Katherine Havemeyer. Ich habe in der Universität nachgefragt und erfahren, dass diese Sorte im Zentrum von Helsinki nur im Hesperia-Park wächst.«
Sein Publikum verstand immer noch nicht, worauf er hinauswollte.
»Das war nur so ein Gedanke, weil die Autovermietung Hertz genau dem Park gegenüber liegt.«
Nyman schniefte. »Das klingt etwas weit hergeholt, woher willst du wissen, wo dieser Schutzanzug überall getragen worden ist. Außerdem wurde schon Kontakt zu allen Autovermietungen der Hauptstadtregion aufgenommen. Sie sollten uns mitteilen, wenn sich bei ihnen ein Mann blicken lässt, auf den die Beschreibung des Asiaten zutrifft.«
»Vielleicht hat er einen Helfer, der die Karre gemietet hat. Aber es könnte ja sein, dass er den Wagen selbst zurückbringt«, schlug der Techniker mit leiser Stimme vor.
Der Hauptwachtmeister tippte auf der Tastatur seines Laptopsund griff den Gedanken auf. »In der Nähe des Hesperia-Parks befinden sich sogar etliche Autovermietungen: Scandia Rent in der Mannerheimintie 50 im Hotel Crowne Plaza, Hertz und Easy-Terra in der Mannerheimintie 44 neben dem Hotel Continental, NetRent in der Mannerheimintie 67, Auto Alex in der Mannerheimintie 100 und Europcar auf dem Elielinaukio. Von den drei letztgenannten ist es allerdings schon etwa ein Kilometer bis zum Park.«
Nyman wirkte geknickt. »Gut, wir wenden uns noch mal an die Autovermietungen. Die Helsinkier Polizei soll sie im Auge behalten, für den Fall, dass der Mann das Auto nachts zurückbringt.«
* * *
Jukka Ukkola saß in der Küche seines Hauses, trank frisch gekochten Kaffee aus dem alten Keramikpott seines Vaters und fühlte sich so sicher wie schon lange nicht mehr. Er hatte sich gerade mit fast zwanzig einflussreichen Männern aus der Helsinkier Unterwelt getroffen, die ihm aus dem einen oder anderen Grund einen Gefallen schuldig waren. Der Vorsitzende des Kabinetts hatte Eeva Vanhalas genial verstecktes Material an sich gebracht, das wusste Ukkola jetzt. Deshalb hatte er sich den Kopf zerbrechen müssen und sich schließlich eine idiotensichere Methode einfallen lassen, wie seine Kopien der Unterlagen gut aufgehoben waren. Seine Situation unterschied sich nämlich in einem Punkt maßgeblich von der Eeva Vanhalas: Ihre Unterlagen belasteten auch sie selbst schwer, deshalb wollte sie nicht, dass sie an die Öffentlichkeit gelangten. Ihm jedoch entstünde durch die Aufdeckung des Materials kein zusätzlicher Schaden, er könnte es sehr wohl den Behörden übergeben, sollte der Vorsitzende Schwierigkeiten machen.
Hoffentlich pendelt sich bald alles wieder ein, dachte Ukkola und nahm einen Schluck Kaffee. Wegen der Hektik in den letztenTagen war er mit seinen Plänen für Kati keinen Zentimeter vorangekommen, und ihr Prozess rückte rasch immer näher. Er nahm das Buch Samurai Commanders 1577–1638 und schlug die Seite auf, die er mit einem Eselsohr markiert hatte. Der Samurai und Daimio Date Masamune, der von 1567 bis 1636 lebte und in der japanischen Region Tōhoku wirkte, war eine faszinierende Gestalt.
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