Rot
merken, dass du schwanger bist? Wir müssen nach Hause zurückkehren.«
Joy wusste nicht, was sie sagen sollte. Abedis Augen waren gerötet, und er wollte sie nicht einmal anschauen. Anton Moser hatte ihnen mitgeteilt, dass er Wien verließ. Die Villa in Dornbach wurde geschlossen. Sie beide würde man am nächsten Tag nach Graz in Südösterreich schicken, wo sie eine neue Arbeitsstelle bekamen. Joy war gezwungen gewesen, Abedi von der Schwangerschaft zu erzählen.
»Du willst nach Hause zurückkehren und alle Pläne aufgeben?« Joy suchte weiter und bemühte sich, ganz ruhig zu bleiben. Sie wollte erst dann mit Abedi über Mosers Unterlagen reden, wenn sie eine Idee hatte, was sie damit anstellen könnte. Plötzlich blieb ihr Blick an der Überschrift auf einem dicken Notizheft hängen. In Druckbuchstaben war da zu lesen: Kamerun – Vermittler, Routen, Objekte.
Sie schlug das Heft auf und wusste sofort, dass sie gefunden hatte, wonach sie suchte. Dieses Notizbuch hatte Moser kein einziges Mal auf seinem Schreibtisch liegen gelassen. Das Heft war voller handschriftlicher Vermerke, es ging um die Sklaven, die in Douala gesammelt wurden, um die Schiffe für ihren Transport, die Zielhäfen, Arbeitsplätze …
Wem sollte sie die Unterlagen übergeben, wer würde etwas dafür bezahlen? Jedenfalls nicht die Behörden. Für ihre Aufenthaltsgenehmigung musste sie Geld beschaffen, es war Eile geboten. Wer könnte ihr helfen und einen Rat geben? Joy fiel niemand anders ein als Mosers Sekretärin, der sie in der Villa oft begegnet war. Sie hatte gesehen, wie Marliese ihren Chef anschaute, wenn der es nicht bemerkte. Genau wie sie selbst, voller Abscheu.
24
Samstag, 8. Oktober
Kriminalinspektor Klasu Nyman ging im Beratungsraum »Heftmaschine« auf und ab wie ein Hammerwerfer, der darauf wartete, dass er den Ring betreten durfte: Er wirkte sowohl konzentriert als auch ungeduldig. »Erinnert euch an diesen Tag, wenn ihr das nächste Mal bei Ermittlungen wochenlang nicht weiterkommt. Das Phänomen der Ketchupflasche tritt fast immer auf.«
Nymans Vertrauter, ein schlagfertiger Kriminalhauptwachtmeister der Abteilung für Informationsbeschaffung, nahm das Wort. »Die Unterlagen der Firma Suomen Kivijaloste müssen wir mit den Jungs von der Wirtschaftskriminalität noch genau durchforsten, aber die Sache dürfte eindeutig sein. Die Aussagen des chinesischen Steinmetzes, der sich an den Minderheitenbeauftragten gewandt hat, stimmen absolut. Suomen Kivijaloste hat seine Geschäftstätigkeit mit illegalen Arbeitskräften ausgeübt. In den Baracken in Haimoo wurden einundzwanzig chinesische Steinmetzen gefunden, von denen die Behörden keine Kenntnis hatten, in der Filiale der Firma in Lohja wurden achtzehn Chinesen und sechs Pakistaner angetroffen und …«
»So viele«, entfuhr es Nyman.
»Es gibt in Finnland mehrere tausend illegale Arbeiter. Und dann noch die Schwarzarbeiter, Leute aus dem Ausland, die sich ganz legal in Finnland aufhalten.«
»Und wie viele sind das?«, fragte Nyman.
»Das weiß keiner, sie werden nur für einen Tag, eine Woche oder ein paar Monate hergebracht, und der Arbeitgeber meldet den Behörden natürlich nichts. In Finnland arbeiten jährlich mindestensfünfunddreißig- bis vierzigtausend Schwarzarbeiter, allein schon in der Baubranche geschätzte dreißigtausend, und dann sind da noch die Sexarbeiterinnen und -arbeiter, die Saisonarbeitskräfte in der Landwirtschaft aus Osteuropa und Asien, die Romabettler, die thailändischen Beerenpflücker und die estnischen Zeitarbeiter.«
Nyman schüttelte den Kopf. »Ist schon jemand von Kivijaloste verhört worden?«
Der Kriminalhauptwachtmeister schaute in seine Unterlagen. »Ein Mann namens Jouni Pääkkönen. Er hat die praktischen Dinge erledigt. Der Chinese konnte keinen einzigen anderen Namen eines Finnen nennen, hat aber erzählt, dass in den letzten Tagen jemand zweimal diesen Chef Jone, den Pääkkönen, besucht hat. Und der Chinese hat sich das Kennzeichen gemerkt, ihr kommt nie darauf, wem das Auto gehört.«
Nyman blieb stehen und bedeutete seinem Untergebenen mit heftigen Gesten weiterzureden.
»Jukka Ukkola. Nach Ansicht des Chinesen hat der sich so aufgeführt, als wäre er der Besitzer. Zumindest hat der Minderheitenbeauftragte das so notiert.«
Nyman strahlte übers ganze Gesicht. »Und nach Leo Karas Informationen hat Suomen Kivijaloste in den letzten Jahren mehrere Millionen Euro auf eine österreichische Investitionsbank
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