Rot
mögliche Informationsquelle zum Schweigen gebracht worden. Der Mann hatte auf der Gehaltsliste des AEM-Konzerns gestanden und die Immobilienangelegenheiten von Mundus Novus verwaltet, bei den Verhören hätte Danilow möglicherweise geredet, vor allem weil Clive Grover hieb- und stichfeste Beweise gegen ihn beschafft hatte.
»Das musst du lesen«, sagte Colleen Carter mit einem breiten Grinsen und reichte Betha Gilmartin ein Blatt. »Wir haben neue Informationen aus Finnland. Finnische Unternehmen, die mit Mundus Novus in Verbindung gebracht werden, haben schon seit Jahren Geld bei einer Investitionsbank namens Pegas eingezahlt. Und wer ist deren Eigentümer – niemand anders als der AEM-Konzern.«
Betha Gilmartin nahm die Seite und las. Dann klatschte sie in die Hände und ließ einen schrillen Pfiff ertönen. »Ein neuer Hinweis. Wir überprüfen sofort die österreichische Pegas-Investitionsbank«, befahl sie ihren Mitarbeitern und schlug Colleen Carter wie einem alten Kampfgefährten auf die Schulter.
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Der Generaldirektor des AEM-Konzerns Anton Moser setzte sich im Arbeitszimmer seiner Villa in Dornbach an den Schreibtisch. Nach dem Anruf des FSB-Generals Mironow hatte er Wien fluchtartig verlassen. Er holte aus der Schublade eine schön verzierte, vierfarbige Schnupftabakdose, die der Goldschmied Emerich Martin 1858 in Wien angefertigt hatte, streute etwas Methylphenidat auf den Handrücken und schnupfte das Pulver. Das Stimulans regte die geistige Aktivität sofort an und verbesserte die Konzentrationsfähigkeit, deshalb verwendeten auch zahlreiche Wissenschaftler das Mittel, um ihrem Denkvermögen Schwung zu verleihen. Es war höchste Zeit für eine Lagebeurteilung.
Laut General Mironow war German Danilow enttarnt und getötet worden, die Polizei wusste jetzt, wer für die Immobilienangelegenheiten von Mundus Novus verantwortlich gewesen war. Etwas anderes dürfte jedoch noch viel schlimmer sein: Die Behörden waren auch der Zentralbank des AEM-Konzerns, der Pegas-Bank, auf die Spur gekommen. Er hatte den Befehl erhalten, alle Gelder dort abzuziehen und bei anderen Banken in Sicherheit zu bringen. Die Immobilien und Finanzen von Mundus Novus hatte man nun aufgespürt, jetzt fehlte nur noch, dass die Behörden auch von den Geschäften oder dem Zweck der Organisation Wind bekamen. Anton Moser musste eine Entscheidung treffen.
Er trat an die großen Fenster zum Garten seiner Villa und betrachtete den Springbrunnen, die Büsten, die alle Kiespfade säumten, den Rasen mit seinem kunstvollen Muster, die Nussbäumeund den Apfelhain und schließlich den Rosengarten, in dem die letzten Herbstsorten noch blühten. Sollte er sich absichern, alle Beweise vernichten, die ihn mit Mundus Novus in Verbindung brachten, und schließlich untertauchen? Oder sollte er weitermachen wie bisher und abwarten, ob die Behörden ihm auf den Pelz rückten, bevor das Ziel von Mundus Novus erreicht war?
* * *
Joy Okoye konnte nicht anders, ihr tat Anton Moser leid, als sie sein »Spielzimmer« betrat. In den Regalen an der Wand standen reihenweise Pornofilme, die Schaufensterpuppen trugen Bodys, Schuluniformen, Leder-, PVC- und Latexkleidung, Uniformmützen, sonderbare Gesichtsmasken und Korsetts. Die anderen Regale quollen über von Stiefeln, Peitschen, Dildos, Vibratoren und sonstigem Sexspielzeug.
Das schnurlose Telefon in Joys Kitteltasche klingelte gerade, als sie begann, im »Spielzimmer« sauberzumachen.
»Sag Abedi, dass wir heute im Garten Laub und Abfall verbrennen«, befahl Anton Moser. »Und komm dann in mein Arbeitszimmer.«
Eine Stunde nach Mosers Anruf stand Joy Okoye im entlegensten Winkel des Gartens der Dornbacher Villa und warf einen Blick auf Abedi, der Laub aus einem Müllsack in einen großen, flachen Metallkomposter schüttete. Sie hatten sich so hingestellt, dass der Wind von hinten wehte, denn von dem Feuer stieg dichter grauer Rauch auf. Eben hatte Anton Moser eine Schubkarre voll Unterlagen, die verbrannt werden sollten, aus seinem Zimmer holen lassen. In denen wühlte Joy jetzt fieberhaft. Moser wollte die Beweise dafür vernichten, dass er in Kamerun, Nigeria und Ghana zehntausende Menschen gekauft und zur Sklavenarbeit nach Mitteleuropagebracht hatte. Das mussten seine wichtigsten Dokumente sein.
»Moser hat versprochen, uns Arbeit in einer Fabrik zu besorgen«, sagte Abedi und starrte auf das brennende Laub. »Was glaubst du, wie lange du dort zurechtkommst? Was machen sie mit dir, wenn sie
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