Rot
wohl nicht bereit gewesen. Warum fragst du?«
Nun stand auch Kara auf. »Ich weiß nicht. Es sah nur einmal so aus, als hätte Manas dich beim Betreten der Folterkammer angelächelt.«
»Vielleicht hat er wirklich gelächelt«, sagte Aleksi Kara. »So ein Psychopath handelt vermutlich nicht sehr logisch.«
»Ja, natürlich nicht«, antwortete Kara. Er begriff sehr wohl,dass es absurd war, sich den Kopf zu zerbrechen, ob und warum jemand vor zwanzig Jahren gelächelt hatte. Aber aus irgendeinem Grund wurde er den Gedanken daran nicht los.
* * *
Betha Gilmartin saß auf der Damentoilette in der siebten Etage von Legoland, die Stille rauschte in ihren Ohren. Allmählich wurde ihr die Schattenseite ihres verbesserten gesundheitlichen Zustands bewusst: Sie konnte jetzt doppelt so viel ackern wie vorher. Plötzlich hörte sie, wie jemand in die Toilette kam und eine Kabinentür nach der anderen öffnete. Dann bewegte sich vor ihren Augen die Klinke nach unten.
»Chefin, bist du da drin?«
Betha Gilmartin erkannte Colleen Carters Stimme und wurde so wütend, dass ihr das Blut in den Kopf schoss.
»Der Fall steht kurz vor seiner Aufklärung, ich denke, dass ich Beckley, Moser und Mironow gefunden habe«, konnte Carter noch sagen, bevor Betha Gilmartin ihrem Zorn Luft machte und brüllte: »Raus hier! Ich komme, sobald ich … fertig bin.«
Colleen Carter wartete an der Tür, als Betha Gilmartin drei Minuten später mit hochrotem Gesicht das Lagezentrum betrat.
»Der MI5 hat Alan Beckley aufgespürt. Angeblich haben sie hunderte Stunden Aufzeichnungen der Überwachungskameras auf dem Flughafen Heathrow durchgesehen. Beckley ist in eine Maschine nach Zürich gestiegen«, verkündete Colleen Carter triumphierend.
»Hat man ihn verhaftet?«
»Noch nicht. Aber das Schweizer Fedpol sucht ihn. Und das ist noch nicht alles – das österreichische Bundeskriminalamt hat den Generaldirektor des AEM-Konzerns Anton Moser ausfindig gemacht. Fast«, sagte Carter und verzog den Mund. »Der Mann ist auf der Autobahn E 60 durch ganz Österreich gefahren, der Wagenwurde auf Aufzeichnungen von Überwachungskameras gefunden, aber irgendwo zwischen Nenzing und Feldkirch kurz vor der Schweizer Grenze ist er verschwunden.«
»Das heißt, eigentlich hat man gar niemanden gefunden.« Betha Gilmartin wurde nervös.
Colleen Carter war mit soviel Enthusiasmus bei der Sache, dass sie die Bemerkung völlig ignorierte. »Du erinnerst dich sicher, dass auch der FSB-General Mironow in der letzten Zeit dann und wann in Zürich gewesen ist.«
»Das Forschungszentrum von Mundus ist also dort, in der Schweiz?«, fragte Betha Gilmartin.
Colleen Carter schwenkte einen Stoß Unterlagen. »Von den Industrieimmobilien, die mit dem AEM-Konzern in Verbindung gebracht werden, steht nur noch bei sechsundzwanzig die Überprüfung aus. Doch von denen ist kein einziges in Zürich oder überhaupt in der Schweiz. Die Immobilie von Mundus, die am nächsten liegt, ist in Schaan, das Forschungszentrum ist dort, da bin ich sicher.«
»Wo befindet es sich?«, fragte Betha Gilmartin erstaunt.
»In Liechtenstein«, erwiderte Colleen Carter. »Dort gibt es keinen eigenen Flughafen, der nächste ist der in Zürich, das sind von Schaan aus nur reichlich hundert Kilometer.«
Es dauerte einen Augenblick, dann hatte Betha Gilmartin die Lage erfasst. Sie machte auf dem Absatz kehrt und ging auf die Ermittlungsgruppe zu, doch Colleen Carter rannte ihr hinterher.
»Ich habe schon Verbindung mit der Schweiz aufgenommen. Das Sondereinsatzkommando von Fedpol – die Einsatzgruppe Tigris – ist auf dem Weg nach Schaan. Es ist eines der besten weltweit. Und aus Österreich wurde die Spezialeinheit Eko Cobra nach Schaan beordert.«
»Menschenskind, Carter«, sagte Betha Gilmartin und war sich selbst nicht sicher, ob sie damit ihre Mitarbeiterin lobte, weil sieden Fall aufgeklärt hatte, oder ob sie fluchte, weil diese in gröblicher Weise ihre Befugnisse überschritten hatte. Und dann wurde ihr klar, dass sie sich gerade entschlossen hatte, die junge Frau zu ihrer Assistentin zu machen.
35
Dienstag, 11. Oktober
Leo Kara wusste, dass etwas im Gange war. Schon seit einiger Zeit hallten auf dem Flur hastige Schritte und Rufe, das Wasser in der Kanne kräuselte sich und er hörte ein stetiges Summen, das gleiche monotone Brummen wie in seiner Wiener Wohnung, wenn in der Nähe ein Lkw im Leerlauf stand. Diese Gelegenheit musste er nutzen. Er hatte auf dem Weg zum Verhör am
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