Rot
wusste die finnische Polizei und der SIS, worüber hatte er mit Lilith Bellamy gesprochen …
Kara antwortete nach bestem Wissen und bemühte sich, dem irren, starren Blick von Manas auszuweichen. Er hatte schon vor ein paar Tagen den Behörden sowohl in Finnland als auch in England fast alle seine Informationen weitergegeben, also dürfte es kaum großen Schaden anrichten, wenn er hier redete. Nur dass Lilith Bellamy ihn aufgefordert hatte, Andrej Rostow ausfindig zu machen, ließ er unerwähnt.
Das Verhör dauerte über eine Stunde. Mironows Fragen entnahm Kara, dass Mundus Novus sehr genau darüber im Bilde war, was die Behörden wussten.
»Was geschieht jetzt?«, erkundigte sich Kara, als Mironow langsam die Fragen ausgingen.
»Du bleibst hier, bis wir fertig sind.«
»Fertig womit? Was ist das Ziel von Mundus Novus?«
» Full spectrum dominance «, antwortete Mironow auf Englisch protzig. »Die totale Beherrschung aller Schlachtfelder.«
* * *
Leo Kara hielt die Augen geschlossen. Er war entkommen, in seine innere Welt, einen Zufluchtsort, den er schon als kleiner Junge entdeckt hatte, als sich seine Eltern wieder einmal stritten. Hier war er zu allem fähig, egal, was in der realen Welt geschah.
Die Cessna 172 Skyhawk, eine viersitzige Propellermaschine, war eben mit Getöse in einen eisigen Fluss gestürzt, der Pilot und der Touristenführer hatten sich nicht mehr aus dem Flugzeug befreien können. Er kletterte auf allen vieren im hohen Schnee den steilen Hang hinauf, es herrschte klirrender Frost, seine pitschnassen Sachen gefroren ihm am Leibe. Schließlich erreichte er den Gipfel des schneebedeckten Hügels, von dem sich ein majestätischer Anblick bot: die Wildnis des tausende Quadratkilometer großen Banff-Nationalparks, die Rocky Mountains, Gletscher …
Kara öffnete die Augen auf der Zellenpritsche. Er musste fliehen. Jetzt verwunderte es ihn, dass er überhaupt in Erwägung gezogen hatte, hier zu bleiben. Nur ein Verrückter würde den Versprechungen dieser Bande trauen, wer weiß, was ihn erwartete, wenn das Ziel von Mundus Novus erreicht war. Diese Truppe hatte wahnsinnig viel Schlimmes angerichtet: Sie hatte Massenvernichtungswaffen entwickelt und verkauft, Menschenversuchedurchgeführt, zahlreiche Morde organisiert, Menschenhandel betrieben …
Aus diesem Betonloch entkam man nur durch die Tür, und das würde nicht ohne Werkzeuge oder Sprengstoff gelingen. Er könnte die Steckdose nutzen, aber in der Zelle befand sich außer seinen Kleidungsstücken nichts Brennbares. Wenn er dafür sorgte, dass Feueralarm ausgelöst wurde, dann würde man die Tür öffnen und … Kara ließ den Gedanken sofort wieder fallen. Die Tür wurde ohnehin geöffnet, ein Alarm würde die Situation nur verschlechtern, die Wächter wären dann noch vorsichtiger. Er brauchte unbedingt Hilfe.
Urplötzlich waren auf dem Flur Schritte zu hören, die Tür ging auf und sein Vater trat herein, als wäre er die Lösung für sein Problem.
»Ich habe gehört, du wurdest verhört«, sagte Aleksi Kara und setzte sich auf das Fußende der Pritsche.
»Von Manas und einem Mann namens Mironow«, erwiderte Kara. »Sie haben mir erzählt, das Ziel von Mundus Novus sei Full spectrum dominance , die totale Beherrschung aller Schlachtfelder.«
Aleksi Kara schien überrascht zu sein. »Wenn das so ist, dann wollen sie dich wirklich nicht von hier weglassen, bevor alles bereit ist.«
»Was bedeutet dieser Terminus?«, fragte Kara.
»Die Fähigkeit zur vollständigen militärischen Kontrolle der Situation an jedem beliebigen Ort der Welt. Heutzutage gelingt das nur mit im All stationierten Waffensystemen. Das Ziel von Mundus Novus besteht darin, den Weltraum zu erobern, oder vielmehr, ihn zu beherrschen, ihn militärisch zu kontrollieren. Mundus Novus beziehungsweise die Neue Welt ist das Universum. Wenn das jemand militärisch in Besitz nähme, würde das die Pax Americana beenden, den seit den Weltkriegen anhaltenden amerikanischen Frieden. Und gleichzeitig wäre es auch vorbei mit derStellung der USA als einziger militärischer und ökonomischer Supermacht.«
Kara schwieg. »Wie wollen sie das verwirklichen? Den Weltraum beherrschen?«
»Das weiß keiner von uns Wissenschaftlern. Dieser ganze Komplex funktioniert so, dass jeder nur an einem Forschungsprojekt arbeitet. Die Mitglieder der verschiedenen Forschungsgruppen dürfen sich nicht treffen: die Mahlzeiten, die Sozialräume, der Freizeitsport, die Hobbys … alles ist so
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