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Rot

Rot

Titel: Rot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Taavi Soininvaara
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Ende des Flures im Zellentrakt Überwachungskameras bemerkt, wusste aber nicht, ob sie den ganzen Flur aufzeichneten oder nur die Ausgänge.
    Zuerst musste getestet werden, wie dicht die Stahltür unten abschloss. Es gab keine Schwelle und keinerlei Leiste, aber mit bloßem Auge ließ sich nicht erkennen, ob sich zwischen Tür und Boden ein richtiger Spalt befand. Er nahm die Kanne, ging zur Tür und goss etwas Wasser auf den Fußboden. Die Pfütze zitterte und breitete sich allmählich aus, dann lief ein Teil des Wassers unter der Tür hindurch auf den Flur. Kara freute sich und schüttete die Kanne langsam aus. Doch sie enthielt nur ein paar Deziliter, die Pfütze in der Zelle war nicht größer als ein Brotteller. Etwas Wasser war garantiert in den Flur geflossen, aber würde das reichen? Er öffnete den Hosenschlitz und urinierte an die Tür, bis die Blase leer war, auf dem Flur musste genügend Flüssigkeit sein, sonst scheiterte sein Versuch.
    Kara nahm die Tischlampe, stellte sie auf das Fußende der Pritsche nahe an der Tür und schaltete das Licht ein. Dann entfernte er den kleinen gestreiften Lampenschirm und wurde vom grellen Licht der nackten Glühlampe geblendet. Als ihm die Idee gekommenwar, hatte er sofort überprüft, ob das Kabel lang genug war – die Lampe reichte bis zur Tür. Und die Wächter trugen Schuhe mit Ledersohlen.
    Kara achtete darauf, nicht in die Pfütze aus Wasser und Urin zu treten und schlug mit der Faust ein, zwei und ein drittes Mal an die Tür. Er lauschte eine Weile und fürchtete schon, der ganze Zellentrakt könnte leer sein. Noch ein halbes Dutzend Mal hämmerte er an die Tür, bis man endlich auf dem Flur ein metallisches Klicken und schließlich eilige Schritte hörte. Er griff nach der Lampe, alles war bereit. Aber das Timing musste auf die Sekunde genau stimmen.
    Als der Schlüssel ins Schloss gesteckt wurde, klopfte Kara mit der Glühbirne vorsichtig auf den Beton, bis das Glas zersprang. Als die Scharniere knarrten und die Tür sich ein paar Zentimeter öffnete, ließ Kara die Lampe in die Flüssigkeit auf dem Fußboden fallen.
    Der Stromschlag traf den Wächter, der auf der anderen Seite der Tür in der Pfütze stand und den Schlüssel, der im Schloss steckte, immer noch in der Hand hielt. Kara zählte die Sekunden, ein zu langer Stromschlag würde den Mann töten. Schließlich riss er das Kabel der Lampe aus der Steckdose, stieß mit dem Fuß die Tür auf und zerrte den bewusstlosen Wächter am Kragen in die Zelle. Er zog die Tür fast zu und machte sich ans Werk.
    Es vergingen mehrere Minuten, bis Kara dem Mann die dunkelblaue Uniform vom Leib gerissen und sich selber übergezogen hatte. Er beschloss, denselben Weg zu nehmen, auf dem er vor einigen Stunden zum Verhör gegangen war. Kara zog die Schirmmütze tief in die Stirn und trat auf den Flur. An dessen Ende senkte er den Kopf, zog die Schlüsselkarte durch das Lesegerät, stieß die Tür auf und beschleunigte sein Tempo. Gleich würde man die Flucht bemerken, gleich würde er Schritte und Rufe hören. Kara hastete bis ans Ende dieses Flures, öffnete die Tür und betrat den nächsten. Wenn er sich richtig erinnerte, führte in fünfzig Meterneine Tür ins Treppenhaus. Im Laufschritt erreichte er sie genau in dem Moment, als hinter ihm eine Tür aufging und jemand brüllte: »Stehenbleiben!«
    Das würde kein gutes Ende nehmen. Kara riss die Tür zum Treppenhaus auf und raste die Stufen in vollem Tempo hinunter; an den Wänden befanden sich wenigstens grüne Pfeile, die den Weg zum Ausgang wiesen, er folgte ihnen, um nicht bis ins Kellergeschoss zu rennen.
    Drei Etagen weiter bedeutete ihm der grüne Wegweiser, die Treppe zu verlassen. Kara hielt sich daran und betrat einen Flur, an dessen Ende eine Panzerglastür zu sehen war – die führte hinaus. Er rannte zu der Tür und zog die Schlüsselkarte durch, aber es geschah nichts. Ein zweiter Versuch, dasselbe Ergebnis. Kara schaute sich rasch um, erblickte einen Handfeuerlöscher und riss ihn von der Wand.
    Erst beim dritten Schlag zeigten sich Risse im Panzerglas, beim fünften zerbrach es richtig. Die Tür in seinem Rücken wurde in dem Moment aufgerissen, als er die zersprungene Scheibe mit einem Tritt aus dem Rahmen stieß und auf den windigen Innenhof stieg. Die Schritte der Verfolger dröhnten fünfzig Meter hinter ihm.
    Kara stürmte auf den Hof, rannte bis hinter das nächste Gebäude und versuchte sein Tempo zu erhöhen. Rundum waren nur weiße Hallen zu

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