Rot
sehen, kein einziges Tor, das aus dem Gelände hinaus führte, in die Freiheit. Wenn er es schaffte, bis zum nächsten Gebäude zu kommen und um die Ecke zu biegen, bevor sie auftauchten, wüssten sie vielleicht nicht, wohin er gelaufen war. Die Milchsäure machte sich schmerzhaft in der Oberschenkelmuskulatur bemerkbar; beim Abbiegen warf er einen Blick zurück, noch war niemand zu sehen. Aber vor ihm lag wieder ein riesiger Innenhof, umgeben von weißen Gebäuden. Es gab keinen Fluchtweg, bald würden ihm alle Wächter des Forschungszentrums auf den Fersen sein.
Plötzlich hörte Kara, wie hinter ihm der Sand knirschte. Erdrehte sich um und spürte einen quälenden Schmerz, als sich eine Hand um seinen Mund presste.
Manas lächelte. Er wusste, das war so üblich.
* * *
Im Besprechungsraum der Generalstaatsanwaltschaft saßen drei ratlose Beamte: der Leiter der Aufklärungsabteilung der KRP Klasu Nyman, die Chefin der Gegenspionage der SUPO Saara Lukkari und die stellvertretende Generalstaatsanwältin Anni Alanko. Die Besprechung der Koordinierungsgruppe für die Ermittlungen zum Kabinett begann gerade.
»Fassen wir die Lage zusammen, ich fange an. Eigentlich hätte ich etwas anderes zu tun«, knurrte Nyman unzufrieden. »Zuerst die guten Nachrichten, das sind nicht viele. Der Fall Suomen Kivijaloste ist eindeutig : Das Unternehmen hat sich alle seine ausländischen Arbeitskräfte über die auf der Insel Jersey registrierte Arbeitsvermittlungsfirma Workhelp beschafft. Im Moment sieht es so aus, als kämen wir nur an Jouni Pääkkönen von Suomen Kivijaloste heran und an Jukka Ukkola, der sich in der letzten Zeit um die Angelegenheiten von Workhelp gekümmert hat. Ukkola ist jetzt festgenagelt, wir haben gegen ihn jede Menge Beweise sowohl für dieses als auch für andere Verbrechen. Aber über Ukkola kriegen wir die anderen Kabinettsmitglieder nicht zu fassen, in den Verhören redet er nicht.«
»Und Ukkolas Speicherstick? Kara behauptet ja, er habe darauf Teile vom Smirnow-Material gelesen. Die Namen, die Kara aufgezählt hat, nützen uns ohne Beweise nichts«, sagte Saara Lukkari und verschränkte ihre muskulösen Arme.
»Bei Ukkola wurde auch während der letzten Hausdurchsuchung nichts gefunden«, erwiderte Nyman ungehalten. »Und der unter dem Namen Manas bekannte Kirgise wurde auch nicht gefunden, obwohl wir jetzt Bilder von dem Mann haben.«
Plötzlich ging die Tür auf und Generalstaatsanwalt Asko Väkikorpi trat mit einem Stoß Unterlagen herein. »Hier ist ja genau die richtige Sitzung im Gange. Das wurde vor einer halben Stunde an die öffentliche E-Mail-Adresse der Generalstaatsanwaltschaft geschickt«, sagte er und ließ die Ausdrucke vor Saara Lukkari auf den Tisch fallen. »Das Smirnow-Material.«
* * *
Jukka Ukkola saß im Sessel seines Wohnzimmers mit einem Glas Amontillado in der Hand, sein Gesicht war zu einer fratzenhaften Grimasse verzerrt, wie sie erst nach einer viertägigen Saufkur möglich ist. Die Flecken auf seinem bekleckerten T-Shirt waren eingetrocknet, zu seinem Glück konnte er den eigenen Gestank jedoch nicht riechen.
Ukkola starrte auf seine japanischen Waffen, die Schwerter, Messer und anderen Teile der Ausrüstung eines Samurai, und ihm ging der Gedanke durch den Kopf, dass er nichts anderes besaß als diese Sammlung, sein Auto und das Haus, und eigentlich interessierte ihn auch das alles nicht. In seinem Leben war nach Katis Auszug alles ins Stocken geraten und schließlich bergab gegangen. Es war unausweichlich geschehen, aber so langsam, dass es ihm nicht rechtzeitig bewusst geworden war. Nun hatte Kati ihre Tochter gefunden, damit war seinem Leben das Ziel abhandengekommen: Er hatte Kati zwingen wollen, wieder bei ihm einzuziehen. Was zum Teufel sollte er sich nun als Ersatz dafür ausdenken? Das Saufen hatte seine Vorteile, es war eine alles erfassende Beschäftigung, ihm fiel kein anderes Hobby ein, mit dem man Tage verbringen konnte, ohne sich zu langweilen. Und wenn man es mit einer relativ sauberen Leber anging, hatte man bei etwas Glück noch Dutzende Jahre mit seinem Hobby vor sich.
Plötzlich war aus der Küche das nervenzerreißende Signal von Skype zu hören. Ukkola registrierte es mit geringem Interesse undnahm einen großen Schluck Sherry. Natürlich war er betrunken, allerdings auch nicht in dem Maße, dass er sich in diesem Zustand irgendjemand hätte zeigen wollen. Dann meldete sein Handy den Eingang einer SMS und er streckte die Hand zum Couchtisch
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