Rot
blieben ihm im Halse stecken, als Kati Soisalo die Waffe aus der Tasche zog und lud. Ukkola bewegte sich nach vorn, halb fuchtelte er mit der Hand nach der Glock, halb taumelte er auf sie zu. Die Pistole wackelte, ein Schuss löste sich und Ukkola schrie auf. Um seinen Fuß bildete sich eine Blutlache. Kati Soisalo versetzte Ukkola einen Tritt in den Bauch. Das Geschrei verstummte.
Kati Soisalo zitterte vor Hass. Es tat so verdammt gut, diesen Irren schmerzverzerrt am Boden zu sehen. Sie ging zum Kamin, steckte die Hand in den Rauchfang und tastete die Ziegel ab. Ukkolas eigene Waffe war nicht am gewohnten Platz.
»Sie haben hier eine Hausdurchsuchung gemacht. Zweimal«, erklärte Ukkola und wickelte sich dabei sein Hemd um den blutenden Fuß. Dann hüpfte er auf einem Bein zum Couchtisch, nahmdie Flasche Noblezza und trank sie aus. »Dein Glück, dass bei den Nachbarn tagsüber niemand zu Hause ist«, sagte er.
»Du hast ein Dokument gefälscht, mit dem ich angeblich meine Zustimmung zu Vilmas Adoption gegeben habe. Du hast meine Tochter verkauft! Du hast das alles geplant. Wie kann ein Mensch so krank sein, einem albanischen Kriminellen ein Kind zu verkaufen, mit dem er drei Jahre zusammengewohnt hat.« Ihre eigenen Worte fachten ihre Wut noch weiter an. Sie ging zu Ukkola hin, zielte mit der Waffe auf seine Stirn und spürte den brennenden Wunsch, den jahrelangen Sadismus dieses Schweins auf der Stelle zu beenden.
Ukkola setzte sich auf den Fußboden, ohne den Blick seiner trüben Augen von der Waffe abzuwenden. »Hör mir zu, verflucht noch mal. Man hat mich dazu gezwungen. Vilmas Vater ist der Vorsitzende des Kabinetts. Er hat alles organisiert oder genauer gesagt, mir befohlen, alles zu organisieren. Und er ist auch Helena Poulsens Vater. Hat Jonny Karlsson denn nicht die Vergangenheit der Frau überprüft, ihren Mädchennamen?« Ukkola schrie ihr den Namen des Kabinettsvorsitzenden ins Gesicht.
»Helena Poulsen ist die Tochter des Exministerpräsidenten«, wiederholte Kati Soisalo und bemerkte nicht einmal, wie ihre Hand mit der Waffe auf den Oberschenkel herabsank. Sie erinnerte sich nicht, den Politiker in der Huvilakatu gesehen zu haben, in jener Nacht, in der Vilma rational betrachtet gezeugt worden sein musste.
Ukkola erhob sich auf die Knie und ächzte vor Schmerz. »Das Kabinett ist jetzt aufgelöst. Ich kann bei jeder Behörde bezeugen, dass ich deine Zustimmung zu den Adoptionsunterlagen gefälscht habe. Du ziehst einfach nur wieder hier ein, dann helfe ich dir, Vilma zurückzuholen. Alles wird wieder so wie früher.«
Kati Soisalo antwortete mit einem Blick voller Verachtung.
»Ich hätte mir so etwas nie selbst ausgedacht. Ihr beide, du und Vilma, wart mein Ein und Alles, ich würde alles dafür hergeben,wenn ich wieder sehen könnte, wie das Mädchen hier spielt. Ich bin sehr wohl fähig, mich zu ändern, natürlich habe ich auch selbst Schuld, aber …«
Kati Soisalo ging, ohne ein Wort zu sagen, und ließ Jukka Ukkola mit seinem Beinschuss weiter sich selbst belügen.
36
Dienstag, 11. Oktober
Manas hatte Leo Kara in eine der Industriehallen des Forschungszentrums geschleppt, nun ließ er ihn los. Kara blieb wie versteinert stehen, er brauchte eine Weile, bis er wirklich glaubte, was er da sah und hörte: Auf den Metalltischen und an den Wänden der weitläufigen, mit verschiebbaren Zwischenwänden unterteilten Halle standen Tierkäfige und ein großes Aquarium. Kara erblickte Fische, Mäuse, Ratten, Kaninchen, Meerschweinchen und in den größten Käfigen ein halbes Dutzend neugierige Schimpansen, die ihre Gesichter verzogen und kurze Laute ausstießen.
»Ich wusste, dass du bei deiner Flucht denselben Weg nehmen würdest, auf dem man dich zum Gespräch mit Mironow und mir gebracht hatte. Das war die einzige Strecke, die du kanntest«, sagte Manas auf Russisch.
Plötzlich waren auf dem Hof Schritte und Rufe der Wachleute zu hören, und Kara wurde schlagartig klar, dass er überall anders sicherer aufgehoben wäre als hier. Er musste es versuchen.
Kara stürmte los in Richtung Tür und hörte sofort die Schritte des Kirgisen hinter sich. Mit der rechten Hand konnte er noch die Klinke ergreifen, dann umspannte eine Pranke schmerzhaft seinen Bizeps. Kara drehte sich um und schwang mit aller Kraft seine linke Faust, doch Manas fing sie ab und presste sie so zusammen, dass die Knöchel knackten. Kara fühlte sich genauso hilflos wie als vierzehnjähriger Junge in dem Londoner
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