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Rot

Rot

Titel: Rot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Taavi Soininvaara
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Sommer hatten Fischer die verweste Leiche von Generalmajor Juri Iwanow an einem türkischen Badestrand gefunden. Der israelische Mossad hatte Iwanow bei der Besichtigung des Geländes für den Ausbau des russischen Flottenstützpunktes im syrischen Tartus liquidiert.
    Grover ließ seinen dampfenden Kaffee auf dem Tisch stehen, trat hinaus auf die Kensington High Street und ging in Richtung Westen. Dabei blickte er immer wieder verstohlen in die Schaufenster der Geschäfte. In London war das gute alte Follow the rabbit , das Observieren durch mindestens vier Mann, eine beliebte Methode, ein bewegliches Objekt im Auge zu behalten. Die Menschenmassen und die überfüllten Einkaufszentren erschwerten eine elektronische Überwachung, obwohl das Netz der Überwachungskameras in London heutzutage verblüffend dicht war. Grover versuchte sich möglichst viele Gesichter von Fußgängern einzuprägen. Er machte Kehrtwendungen an Straßenecken, blieb vor Schaufenstern stehen und achtete sowohl auf Passanten als auch auf den Verkehr.
    Nachdem er sich vergewissert hatte, dass ihm niemand folgte, betrat er das Starbucks Café, kaufte einen Caffè Americano und suchte sich einen Fensterplatz zur Straße hin, um die Menschen und Autos zu beobachtete. Er hatte seine Gründe, nicht beim SIS Schutz zu suchen, erst musste er herausfinden, wer ihn überfallen hatte. Klar war, dass der Anschlag höchstwahrscheinlich mit Mundus Novus zusammenhing. Die Leitung der Ermittlungen zu Mundus hatte er von der stellvertretenden Chefin des SIS Betha Gilmartin geerbt.
    Mit Mundus Novus war nicht zu spaßen. Die seit über zwanzig Jahren aktive Organisation unterhielt überall in der Welt Forschungsinstitute, in denen Waffen entwickelt wurden, die sämtliche Grundlagen der Kriegsführung auf den Kopf stellten: Marschflugkörper,Laserwaffen der Gigawattklasse und Abwehrraketen, die ein bewegliches Ziel fanden und trafen. Waffen also, mit denen man imstande wäre, das militärische Gleichgewicht der Welt zu erschüttern. Und das Schlimmste war: Der SIS hatte auch herausgefunden, dass die Spuren von Mundus Novus nach Russland führten, zum Nachrichtendienst FSB.
    Plötzlich entdeckte Grover draußen etwas und war so überrascht, dass er seinen Kaffee verschüttete. Den Fahrer eines Ford Mondeo, der gerade Gas gab, kannte er, das war ein Mitarbeiter des MI5. Sie hatten sich im Sommer 2005 während der Ermittlungen zu den Londoner Bombenanschlägen mindestens zweimal getroffen.
    Die Puzzleteile passten nicht zusammen – wollten ihn seine eigenen Leute loswerden, warteten sie jetzt auf eine neue Gelegenheit zuzuschlagen?
    Grover überlegte einen Augenblick, rief mit dem Handy bei sich zu Hause an und bemühte sich um einen möglichst lockeren Tonfall, als sich die Haushaltshilfe Gwyneth meldete. Er erkundigte sich, wie es ihr ging, und sagte dann: »Ich habe auf dem Küchentisch einen wichtigen Notizzettel vergessen, so ein roter Klebezettel. Könntest du mal nachschauen?«
    Es dauerte einen Augenblick, bis Gwyneth antwortete: »Hier ist nichts.«
    »Und im Mülleimer?«
    Es verging ein zweiter, kürzerer Augenblick. »Der ist leer.«
    Grover fluchte gedämpft. »Anscheinend habe ich den Beutel heute früh runter gebracht. Wäre es zu viel verlangt, wenn …«
    »Jetzt muss man hier auch noch im Müll rumwühlen …«, murrte Gwyneth, während sie losging. Sie lief mit dem schnurlosen Telefon hinunter auf den Hinterhof und öffnete den Deckel des Müllcontainers. »Die Tonne ist leer.«
    Grover lachte kurz. »Na gut. Trotzdem danke für die Hilfe«, sagte er und beendete das Gespräch.
    Er stand unter Verdacht – der MI5 hatte seinen Hausmüll durchsucht. Grover wusste natürlich, wie sie in derartigen Situationen vorgingen.
    Jetzt musste er untertauchen.
    * * *
    Abends kurz vor zehn Uhr parkte Jukka Ukkola seinen funkelnagelneuen Audi auf dem Hietalahdentori im Helsinkier Stadtteil Punavuori und fühlte sich seit Wochen erstmals wieder so richtig wie ein potenter Mann. Er stieg aus und genoss den Asphaltgeruch. Es war doch nicht alles im Eimer, auch wenn man ihn vorübergehend aus der KRP hinausbefördert hatte. Der Vorsitzende des Kabinetts wünschte ihn zu treffen. Das war eine erhebliche Beförderung in der Hierarchie, die Identität des Vorsitzenden erfuhren nur wenige Mitglieder. Die Grundlage für das gesamte Handeln des Kabinetts bestand darin, dass nur eine Person – der Vorsitzende – alle Mitglieder kannte. Jedes Kabinettsmitglied hatte eine

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