Rot
gefeiert wurde und an wen von den Leuten bei der Feier du dich noch erinnerst …«
* * *
Jukka Ukkola stand mitten in einer riesigen Kiesgrube im Dorf Haimoo und sehnte sich nach Kati Soisalo und nach einem Gehörschutz. In der Grube fuhren große gelbe und rote Schaufellader umher, und von einem langen Förderband krachten Steinbrocken in den Backenbrecher, der wiederum Kies auf die Erde und Staub in die Luft spuckte. Laster rollten an und fuhren weg. Doch er war nicht hierhergekommen, um sich den Brecher anzuschauen, sondern sein Interesse galt den etwa zwanzig chinesischen Steinmetzen, die in Hemdsärmeln mit Fäustel und Steineisen schufteten und dabei eine Zigarette zwischen den Lippen hatten. Jeder von ihnen trug eine orangefarbene Schirmmütze der Steinverarbeitungsfirma Suomen Kivijaloste, die Truppe sah aus wie eine Fußballmannschaft.
Sklavenarbeit – Jukka Ukkola ließ sich das Wort langsam auf der Zunge zergehen. In Europa wurde dieser Begriff allerdings selten verwendet, hier sprach man lieber von Zwangsarbeitern, Opfern des Menschenhandels oder der Schuldknechtschaft. Aber natürlich war das Sklaverei, wenn man vierzehn Stunden am Tag bei Regen, Hitze und Frost Steine hacken musste, und das für einen Monatslohn von zweihundert Euro. Pure Sklaverei und – das war das Beste daran – ein glänzendes Geschäft. Vielleicht das einträglichste auf der Welt. Die Sozialtanten und die Ökofritzen in ihren Cordhosen schauderte es angesichts der Wahrheit, aber Sklaven hatte es immer gegeben und würde es auch immer geben, zumindest, wenn es nach ihm ginge.
Er öffnete die Tür der weißen Baustellenbaracke, trat ein und fragte: »Jouni Pääkkönen?« Dann hielt er die Hand hin und sagte seinen Namen.
Ein Mann mit einer großen Nase, einem breiten Lächeln und kreisrundem Haarausfall versicherte, er sei der Gesuchte, dann schaltete er das Radio aus, in dem über die Katastrophen auf dem amerikanischen Kontinent berichtet wurde, und meinte: »Aha, so sieht der Mann aus, der sich nun anstelle der Anita um die Angelegenheiten von Workhelp kümmert. Also, du, die Arho war ja echt scharf auf Männer und sah auch nicht übel aus, wenn man den Zählerstand bedenkt. Kennt ihr euch?«
»Du kümmerst dich um alle … Fremdarbeiter, die bei Suomen Kivijaloste beschäftigt sind?«
»Um alle«, bestätigte Pääkkönen und wandte sich seinem Schreibtisch zu, der mit Unterlagen vollgepackt war. »In den Niederlassungen von Kivijaloste in Finnland arbeiten insgesamt hundertzwanzig Chinesen und achtzehn Pakistaner. Wir zahlen den Chinesen mit allen Prämien im Durchschnitt 220 Euro im Monat, und da der gesetzliche Mindestlohn bei 8,75 pro Stunde liegt und zehn Stunden das Tagesmaximum sind, heißt das im Durchschnitt rund 1750 Euro im Monat. Das ergibt für uns pro Nase einen Gewinn von 1530 Euro im Monat, also 18 400 im Jahr. Die Anzahl der Malocher schwankt natürlich, aber eine Faustregel ist heutzutage, dass hundert Arbeiter im Jahr knapp zwei Millionen Reingewinn bringen.«
Und die über tausend Zwangsarbeiter des Kabinetts bringen insgesamt knapp zwanzig Millionen Euro, dachte Jukka Ukkola, sagte jedoch: »Gibt es irgendwelche Probleme?«
»Die Chinesen schlafen in Baracken hier in der Grube. Sie wollen nicht irgendwohin gehen und ihr Geld rauswerfen, die sparen lieber alles als Mitbringsel für Zuhause. Es gibt in der Gegend nicht viele Leute, die überhaupt wissen, dass die Jungs hier sind. Die Truppe wird dann und wann ausgewechselt, und die Papiere sind in Ordnung, dieses System funktioniert verdammt gut«, beteuerte Jouni Pääkkönen und schaufelte sich aus einer Dose einen Löffel voll Erbsensuppenkonzentrat in den Mund.
Ukkola dankte für die Informationen und fügte noch hinzu, er habe sich nur mal sehen lassen wollen, da er jetzt für die Angelegenheiten von Workhelp verantwortlich sei. Er trat aus der Baracke zurück in den Lärm und den Staub und jonglierte im Kopf mit Zahlen. Im Besitz des Kabinetts befanden sich über Tarnfirmen neben Workhelp, das Sklavenarbeiter vermittelte, auch Suomen Kivijaloste und ein Dutzend anderer Unternehmen, die Zwangsarbeiter nutzten und sowohl in Finnland, dem Baltikum als auch in Russland agierten. Und sie alle gehörten zum österreichischen Unternehmen AEM, einem Mischkonzern, der in zweiundsechzig Ländern tätig war, über hunderttausend Mitarbeitern Lohn zahlte und einen Umsatz von fünfundzwanzig Milliarden Euro machte.
Als Ukkola die Tür seines Audi
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