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Rot

Rot

Titel: Rot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Taavi Soininvaara
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zwischen den Akten mit den Ermittlungsergebnissen im Fall des Investmentunternehmens Profit Trading. Die Untersuchung schwerer Wirtschaftsdelikte dauert immer mehrere Jahre. Ich habe dein Material in zwei Mappen der KRP gesteckt. Sie sind mit Bindfäden zugebunden und tragen die Aufschrift: Hinweise, die erwiesenermaßen falsch sind .«
    »Kannst du die beschaffen? Könntest du einen deiner Kollegen um diesen Gefallen bitten? Ich brauche das Material jetzt sofort!« Eeva Vanhala Stimme wurde lauter.
    Ukkola dachte kurz nach. »Ich fürchte, dass ich nicht imstande bin, dir zu helfen. Offen gesagt weiß ich nicht mehr, wem ich in der KRP vertrauen kann, in Jokiniemi ist eine regelrechte Verschwörung von Idioten gegen mich im Gange. Die versuchen ernsthaft, unsereinen loszuwerden.«
    »Überlege es dir noch mal«, erwiderte Eeva Vanhala, und das Gespräch war zu Ende.
    * * *
    Jiang Ximing zog in der Kiesgrube von Suomen Kivijaloste in Haimoo die orangefarbene Mütze fester auf den Kopf und schaute zu, wie der schwarze Audi aus seinem Blickfeld verschwand. Er wusste, dass der Wagen mehr kostete, als er in seinem ganzen Leben verdienen würde. Doch nicht deswegen oder wegen des Erfolgs, den andere Menschen in ihrem Leben hatten, war er niedergeschlagen, sondern weil sich sein eigenes Leben mehr und mehr in einen Alptraum verwandelte.
    Zu Hause auf dem Lande in der Nähe der Stadt Puyang hätte er als Steinmetz im Jahr sechstausend Yuan verdient, etwa sechshundert Euro, aber da keine Arbeit zu bekommen war, hätte er Hilfsarbeiten und Gelegenheitsjobs auf Baustellen und beim Straßenbau mit einem Tagelohn von vielleicht dreißig Yuan übernehmen müssen und höchstens etwa dreitausend Yuan im Jahr verdient, mickrige dreihundert Euro. In Finnland sollten sie tausend Euro im Monat bekommen, aber es hatte sich herausgestellt, dass dieses Versprechen eine Lüge war. Er verdiente zweihundert im Monat, manchmal etwas mehr, wenn er es schaffte, den Hammer wie ein Wahnsinniger zu schwingen und über hundertfünfundfünfzig Meter Bordsteine im Monat zu schlagen. Das war schwierig, anschlechten Tagen brauchte man manchmal sogar sechzehn Stunden, um so viel zu schaffen, dass wenigstens die Monatsnorm von hundertfünfundfünfzig Metern erreicht wurde. Chef Jone interessierten Arbeitszeiten nicht, er dachte nur in Bordsteinmetern. Das Wort Urlaub hatten sie nicht ein einziges Mal gehört.
    Vor einem reichlichen Jahr war ihm im lokalen Fernsehen von Puyang eine Werbung aufgefallen, mit der Arbeitskräfte für Japan, Kanada, Österreich, Deutschland und Finnland gesucht wurden. Er meldete sich bei dem Unternehmen, das Arbeiter von Puyang ins Ausland vermittelte, und konnte bei einer Prüfung seine Fähigkeiten nachweisen. Beim Schlagen von Bordsteinen war er gut genug und wurde ausgewählt.
    Als der Tag der Abreise kam, erhielt er zum ersten Mal in seinem Leben einen Pass, sah zum ersten Mal, wenn auch nur flüchtig, Peking und machte sich dann auf den Weg in ein Land, von dem er nur das Wenige wusste, was er in der Ausbildung gehört hatte. Finnland war still, dünn besiedelt und kalt, und seine Bewohner waren freundlich, fühlten sich jedoch am wohlsten, wenn man sie in Ruhe ließ. Der Job bedeutete, zwei Jahre von der Familie getrennt zu sein, aber durch den Verdienst in Finnland sollte eine Summe auf seinem Konto landen, die in China dem Gehalt von über zehn Jahren entsprach. Deshalb war er hierher gekommen.
    Doch er musste das Honorar der Vermittlungsfirma und deren Kosten bezahlen, und daran wäre das ganze Projekt um ein Haar gescheitert. Er hatte alle Verwandten abgeklappert, um sich die fünfundzwanzigtausend Yuan zu borgen. In China musste man für so viel Geld schließlich jahrelang arbeiten. Die Firma hatte ihnen beigebracht, wie man in Reih und Glied antrat, Haltung annahm, marschierte und Befehlen gehorchte, sie sagten, die Arbeit im Ausland erfordere Disziplin. Auch Grundkenntnisse der englischen Sprache hatten sie geübt, allerdings mit mäßigem Erfolg. Vor der Abreise musste er dann einen Vertrag mit der Vermittlungsfirmaunterschreiben. Außerdem mussten seine Frau und seine Eltern eine Bürgschaftserklärung unterzeichnen für den Fall, dass er seine Arbeitsstelle vor Ablauf der Vertragszeit verließ oder nach deren Ende in Finnland blieb. Gemäß der Bürgschaftserklärung würden er und seine Frau sowie seine Eltern ihr Haus verlieren, wenn er gegen den Vertrag verstieß.
    Die Finnen zahlten keinen Monatslohn von

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