Rot
Übersetzer zuverlässig war. Der Mann hatte schon etliche Male bei Ermittlungen zu russischen Kriminellen für die KRP gearbeitet.
Jetzt schien der Mann beleidigt zu sein. »Ich halte mich strikt an die ethischen Regeln der professionellen Übersetzer und Dolmetscher. Und zu denen gehört auch die Schweigepflicht.«
Du mit deinem Jesusbart, übersetz einfach nur die Dokumente, dachte Ukkola, sagte aber: »Lies noch weitere Berichte des Ministerpräsidenten. Aber kursorisch. Nur die Hauptpunkte.«
»Ich weiß selber, was kursorisch bed…« Das Plädoyer des Übersetzers brach ab, als er sah, wie Ukkola die Stirn runzelte.
»Das hier sind die letzten Berichte, von 1991. Lalli beschreibt darin detailliert, wie er sich um die Unterstützung der Sozialdemokraten und Präsident Koivistos für den von Gennadi Janajew geführten Putschversuch der kommunistischen Hardliner bemüht. Dann folgt eine Mitteilung, in der Lalli besorgt anfragt, was mit ihm bei einem Machtwechsel in der Sowjetunion und im KGB geschieht. In der nächsten Nachricht bittet er darum, die von ihm geschriebenen Berichte zu vernichten, wenn die Kommunisten gezwungen sind, die Macht abzugeben …«
Ukkola musste sich setzen. Es interessierte ihn nicht die Bohne, welche Verbrechen die finnischen Helfer des KGB begangen hatten oder was für einen Skandal eine Veröffentlichung von Vanhalas Material auslösen würde. Er wollte nur eins, diese Unterlagen von unschätzbarem Wert zu seinem Vorteil nutzen. Aber wie? Es wäre keine gute Idee, den Vorsitzenden des Kabinetts zu erpressen. Und er könnte auch nicht behaupten, er sei zufällig auf diese Informationen gestoßen. Der Vorsitzende hatte ihm ja ausdrücklich verboten, Vanhalas Unterlagen einzusehen. Die Wanduhr schlug fünfmal und Ukkola wurde klar, dass er schnell etwas unternehmen musste, bevor es zu spät war.
»Gib mir das Blatt, auf dem die Decknamen und Codes aller Finnen aufgelistet sind«, sagte Ukkola. »Und suche die allerwichtigsten Unterlagen heraus, alles was mit Ministerpräsidenten und Präsidenten zusammenhängt.«
Er stellte sich neben den Übersetzer und klopfte mit dem Daumen auf den Zeigefinger, bis er die ersten Dokumente in die Hand bekam. Dann lief er mit großen Schritten die Treppe hinauf in sein Arbeitszimmer und schaltete den Multifunktionsdrucker ein. Er hatte noch eine halbe Stunde Zeit, die Unterlagen zu scannen.
Es war auf die Minute genau 18 Uhr, als Jukka Ukkola mit seiner Tasche schon zum zweiten Mal am selben Tag im Sibeliuspark eintraf. Er war sich ganz und gar nicht sicher, ob es klug gewesen war, einen Teil der Unterlagen zu kopieren. Außerdem besaß er keinen vernünftigen Plan, es war zu wenig Zeit geblieben, nun müsste er sich irgendwie durchlavieren, je nachdem, wie das Treffen verlief.
Der Vorsitzende saß auf einer Parkbank am Teich neben dem Sibelius-Denkmal. Nun erhob er sich, richtete seinen etwa zwei Meter großen Körper auf und griff wortlos nach Ukkolas Tasche, als der vor ihm stehen blieb. Er setzte sich wieder, nahm die zwei Ordner auf den Schoß und blätterte die Unterlagen durch, bis er sich vergewissert hatte, dass er das Smirnow-Material in der Hand hielt. »Und niemand hat die geöffnet und die Dokumente gelesen?«, fragte er.
Ukkola überlegte, ob er seine Karten jetzt sofort aufdecken sollte oder erst dann, wenn er eine Gegenleistung brauchte.
Seine Antwort ließ zu lange auf sich warten. Der Vorsitzende wandte sich Ukkola zu und schaute ihn äußerst besorgt an.
»Natürlich nicht«, erwiderte Jukka Ukkola ganz gelassen.
* * *
Eeva Vanhala stand auf einem Sandhügel unter Kiefern, die sich im Wind wiegten, und beobachtete das rote Klubhaus von Ruukkigolf, das ungefähr zweihundert Meter entfernt war. Ihre mit Stofffetzen umwickelten Füße bluteten und der kahl geschorene Kopf schmerzte unerträglich, sie fürchtete, dass Schädelknochen gebrochen waren. Wie sollte sie ihr Aussehen erklären? Aber es gab keine Alternative, sie brauchte Hilfe und einen Ort, wo sie in Sicherheit war. Zunächst müsste sie allerdings herausbekommen, was sich in den letzten Tagen alles ereignet hatte, sonst konnte sie sich keine glaubhafte Geschichte für die Behörden ausdenken.
Das Klubhaus von Ruukkigolf, ein schönes altes Holzgebäude, hatte früher zum Gut Brödtorp gehört. Eeva Vanhala ging hinein, sie wusste, wo sich das Büro befand. Maria, die Geschäftsführerin, kannte sie schon seit Jahren. Das Licht war an, aber Stimmen hörte man
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