Rot
ist kein Witz. Mein Vater vermittelt illegale Arbeitskräfte, das, was er als Bezahlung haben will, reicht bei weitem nicht mal für die Mindestlöhne.«
»Und wie kann ich …«
Nadine unterbrach ihn: »Ich bin gezwungen, über dieses Angebot nachzudenken. Ich dachte, du wüsstest aus dem Stegreif, wer bei dieser Konstellation eine Straftat begeht, ich oder die Arbeitsvermittlungsfirma meines Vaters. Oder beide.«
Kara dachte einen Augenblick nach und schaute kurz zu Kati Soisalo. »Ich versuche das zu klären, wir telefonieren morgen«, sagte er Nadine und beendete das Gespräch, gerade als der Smart auf die Abfahrt nach Vuosaari einbog.
»Jose Sinko wohnt am Meeresufer. Seine Lebensgefährtin heißt Virpi Vasama, sie hat in einem Siwa-Supermarkt gearbeitet, bevor sie diesem Prinz Jose begegnete«, berichtete Kati Soisalo, fuhr auf die Puistotie in Aurinkolahti und parkte den Wagen etwa zweihundertMeter vom Meer entfernt. »Wir müssen Sinko irgendwie einschüchtern.«
»Versuche trotzdem, nicht alles zu verraten, was du weißt. Falls Sinko Vilma wirklich nach Finnland geholt hat, wird er alles, worüber ihr redet, weitererzählen.«
Kati Soisalo antwortete nicht. Kara sah, dass sie unter Spannung stand wie eine Hundert-Kilovolt-Leitung, das hatte schon früher zu Problemen geführt.
Das Duo blieb am Aurinkolahdenaukio vor der Haustür eines mehrstöckigen Hauses stehen. Kati Soisalo drückte auf den Knopf der Wechselsprechanlage von Jose Sinko und Virpi Vasama. Man hörte ein Rauschen, das Weinen eines Kleinkindes und ein unfreundliches »Ja, hallo?«
»Mein Name ist Kati Soisalo, ich bin Anwältin und möchte über einen Kunden von ProTurva sprechen.«
»Ja genau, und das um zehn abends bei mir zu Hause. Kommen Sie morgen früh ins Büro«, erwiderte Jose Sinko.
»Ich möchte über das entführte Kind reden, dass du vor drei Jahren im September aus Ljubljana nach Finnland geholt hast«, zischte Kati Soisalo im Eiltempo, ohne Luft zu holen, damit Sinko nicht aufhängen konnte, bevor sie den Satz beendet hatte.
Es vergingen etliche Sekunden, so viele, dass Kati Soisalo erschrak und fürchtete, sie hätte alles verpatzt. Dann hörte man ein Surren und das Haustürschloss schnappte auf. Kara und Soisalo stiegen die Treppe hinauf in die zweite Etage.
Die Tür war offen und Jose Sinko wartete auf der Schwelle. Der Atem des muskulösen Mannes stank nach Bier. »Die Frau bringt das Kleine gerade ins Bett«, flüsterte er. »Von was für einem entführten Kind hast du da gefaselt? Und wer ist das?« Sinko deutete mit der Hand in Karas Richtung und betrachtete zugleich mit gerunzelter Stirn Kati Soisalos kurzes Haar.
Kara stellte sich vor, aber Jose Sinko griff nicht nach der ausgestreckten Hand.
Kati Soisalo wusste, dass sie im Vorteil war. Indem Sinko sie hereinließ, hatte er in gewisser Weise schon seine Schuld eingestanden. »Du möchtest sicherlich nicht im Treppenhaus darüber reden«, sagte sie und trat an dem Hausherrn vorbei in die geräumige Wohnung. Der Mond beleuchtete das Meer, die Aussicht war eindrucksvoll. Der süße Geruch des Babys wirkte auf Kati Soisalo wie eine Droge, er ließ schmerzliche und schöne Erinnerungen auftauchen, und schlagartig empfand sie bodenlosen Hass. Sowohl auf Jose Sinko als auch auf alle anderen, die ihr Vilmas Kindheit geraubt hatten.
Sie holte ein Foto ihrer Tochter aus der Schultertasche und hielt es Sinko vor die Nase. »Dieses Mädchen war mein Kind.«
Sinko ergriff das Foto, setzte sich aufs Sofa und schien zu überlegen, was er sagen sollte. Das Bild schaute er sich nicht an.
Plötzlich ging die Tür des Schlafzimmers auf und die blonde Virpi Vasama kam erschöpft mit leicht gebeugtem Rücken ins Wohnzimmer und hielt den Zeigefinger an die Lippen. »Ich habe das Kind jetzt soweit, dass es eingeschlafen ist. Wer besucht uns denn um diese Zeit? Du fängst doch nicht etwa wieder an …«
Kati Soisalo öffnete den Mund, um zu antworten, aber Jose Sinko war schneller. »Die wollen über dienstliche Dinge reden. Über einen Einsatz, bei dem ich vor langer Zeit jemand von Ljubljana nach Finnland begleitet habe.«
Jetzt begeht Jose schon seinen zweiten Fehler, dachte Kati Soisalo, als sie Virpi Vasamas Gesichtsausdruck sah. Die Frau wurde noch blasser, auf ihrem Gesicht zeigte sich unterdrückte Angst. Sie starrte ihren Mann an und schaute nicht einmal, wer die Besucher waren.
»Mein Kind wurde vor drei Jahren in Dubrovnik in Kroatien gekidnappt. In einem Park,
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