Rot
am helllichten Tag. Sie war drei.« Kati Soisalo stand auf, nahm Jose Sinko Vilmas Fotos aus der Hand und reichte es Virpi Vasama. »Seitdem suche ich meineTochter. Du kannst dir vielleicht vorstellen, was für Sehnsucht ich habe.«
Kati Soisalo setzte sich hin, den Blick fest auf Virpi Vasama geheftet. Jetzt war sie sicher, dass die Frau etwas wusste, es sah so aus, als bemühte sie sich, die Tränen zurückzuhalten.
Kara schaute Jose Sinko an: »Wir wollen wissen, wem du das Mädchen in Helsinki übergeben hast.«
»Das da ist aber nicht das Kind, das wir abgeholt haben.« Jose Sinko zeigte in Richtung des Fotos. »Die Sache ist schon verdammt lange her. Der Auftraggeber war, soweit ich mich erinnere, irgendein Este. Und das Mädchen hatte man nicht gekidnappt, es war das Kind dieses Esten. Wir haben natürlich alle Papiere überprüft.«
Die waren nur nicht im Büro von ProTurva zu finden, dachte Kara, sagte aber: »Bei solchen Delikten kommt man nicht ohne Gefängnisstrafe davon.«
Jetzt wurde Jose Sinko nervös. »Mehr weiß ich jetzt von diesem Einsatz nicht, und selbst wenn ich etwas wüsste, würde ich es euch nicht sagen, wir haben bei allem, was die Kunden angeht, eine Schweigepflicht. Ich kann natürlich morgen mit dem Chef reden. Wenn der bereit ist, den Auftaggeber um die Genehmigung zu bitten …«
»Du hast gesagt: Das Kind, das wir abgeholt haben . Mit wem zusammen hast du diesen Auftrag ausgeführt?« Kati Soisalos Stimme klang jetzt angespannt.
Es dauerte eine Weile, bis Sinko eine Antwort einfiel. »Das Kind, das wir abgeholt haben, also das ProTurva abgeholt hat, das ist ja wohl dasselbe. Nun fang nicht mit so einer Scheiß-Haarspalterei an, verdammt noch mal.«
Virpi Vasama starrte an die Wand.
»Wie würdest du dich fühlen, wenn man dir dein Kind raubt?«, sagte Kati Soisalo zu ihr. Die Frau schaute weg und ging in die Küche.
»Um welche Zeit können wir morgen früh ins Büro von Pro-Turva kommen?«, fragte Kati Soisalo Jose Sinko.
»Irgendwann nach neun.«
Dann werde ich auf die Haarspalterei zurückkommen, dachte Kati Soisalo und verabschiedete sich kühl.
21
Freitag, 7. Oktober
In Kati Soisalos Wohnung herrschte gedrückte Stimmung. Die Hausherrin bereitete ein Essen zu, das schnell fertig war: Pasta mit Soße aus Tomatenpüree und Chili-Garnelen. Kara blätterte in der TV-Beilage und überlegte angestrengt, womit sie sich am besten entspannen könnten. Im Fernsehen kamen nur Krimiserien und Sondersendungen über die Katastrophen auf dem amerikanischen Kontinent. Er vermisste seine DVD-Sammlung, in der hätte er mühelos auch für diese Stimmung einen passenden Film gefunden, beispielsweise eine Satire mit Peter Sellers in der Hauptrolle. Sie arbeiteten schon seit Tagen unter großem Druck und waren beide so angespannt wie eine Geigensaite.
Kati Soisalo brachte das Essen, den Rotwein und das Besteck zum Couchtisch und Kara wählte den Kanal, auf dem das Epochendrama North & South der BBC über das viktorianische England gezeigt wurde. Soweit er sich erinnerte, spielten Gewalt, verschwundene Kinder oder psychisch gestörte Menschen in dem Film keine Rolle.
Die Pasta verschwand allmählich von den Tellern, ohne dass jemand sie gelobt oder beanstandet hätte. Als die Hauptfigur der Fernsehserie einem jungen, leidgeprüften Arbeitermädchen in zerlumpten Kleidern begegnete, griff Kati Soisalo zur Fernbedienung und schaltete aus. »Es war ein Versuch, aber es bringt nichts. Meine Gedanken drehen sich im Kreis, Tag und Nacht. Ich lande bald in der Klapsmühle, wenn ich nicht erfahre, was Vilma passiert ist.«
»Ich kann dir in der Zelle nebenan Gesellschaft leisten«, sagte Kara.
»Und jetzt kommt noch diese Ungewissheit dazu, wer Vilmas Vater ist. Dummheit wird tatsächlich bestraft, oder?« Kati Soisalo wirkte verlegen und niedergeschlagen.
Kara fiel Nadines Anruf ein. Er beschloss, das Thema zu wechseln und erzählte Kati von Nadines Problem, von der Verurteilung wegen Drogenvergehen und den Schadensersatzzahlungen, die Bruno drohten.
Kati Soisalo dachte eine Weile nach, aß die Reste der Pasta auf ihrem Teller und trank ihr Weinglas aus. »Der Fall ist nicht einfach. Wenn Nadine für die Arbeitskräfte eine Rechnung der Arbeitsvermittlungsfirma ihres Vaters bezahlt, ist im Prinzip alles in Ordnung, sie kann nicht für den Missbrauch verantwortlich gemacht werden, den eine andere Firma begeht. Dann muss die Polizei oder der Staatsanwalt beweisen, dass Nadine von den
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