Rote Gruetze mit Schuss
Butzenscheiben stehen.
»Frau Kommissarin?!«, sagt Dossmann mit rollendem »R« und gibt ihr die Hand. Thies nickt er nur kurz zu. Der Geflügelbauer ist Mitte sechzig, groß und vital. Er hat einen kräftigen Bürstenhaarschnitt, Bluthochdruck und eine Schweineschnute. Er trägt ein Hemd mit großen bunten Karos und eine Kordweste. Währendder Großbauer die beiden hereinbittet, taxiert er die Kommissarin kritisch einmal von oben bis unten.
Dossmann führt die beiden Polizisten in ein riesiges Wohnzimmer mit beeindruckend großer Sitzlandschaft, Eiche mit ockerfarben gewürfeltem Kunstsamt bezogen. Auf dem Couchtisch stehen ein Bier und eine Schale mit Erdnussflips. Im Fernsehen läuft die Sportschau, und aus den Augenwinkeln sieht Thies, wie der HSV grad ein Tor kassiert. Dossmann stellt mit der Fernbedienung den Ton leise.
»Ich hab schon gehört. Unschöne Sache. So ein Todesfall wirft kein gutes Licht auf die ganze Region.« Dossmann geht breitbeinig mit leicht wiegenden Schritten durch das Wohnzimmer und deutet auf die Sofas und Sessel.
»Setzt euch. Nehmen Sie doch Platz. Frau Stappen... ähh ... Stappenbek? Kann ich Ihnen was anbieten? ’ne Tasse Kaffee? Oder Thies, ’n Buddel Bier?«
Thies ist gar nicht so abgeneigt. Aber als die Kommissarin abwinkt, schüttelt auch Thies den Kopf: »Wir sind ja noch im Dienst, Herr Dossmann.« Thies lächelt etwas gequält. Er sinkt in den gewürfelten Samt.
»Herr Dossmann, der Tote ist ja auf der Wiese aufgefunden worden, die zwischen ihren beiden Höfen liegt«, beginnt die Kommissarin mit dem Verhör. »Haben Sie mitbekommen, dass Herr Brodersen dort mit seinem Mähdrescher unterwegs war?«
»Nee«, sagt Dossmann knapp. »Na, Thies, nich’ doch ’n Bier?«
»Ja, nee, danke.«
Kommissarin Stappenbek, die auf der vorderen Kantedes Sofas sitzt, fragt weiter. »Ich hab mir sagen lassen, Sie und Ihr Nachbar Brodersen waren beide sehr an dieser Wiese interessiert. Und jetzt ist Ihr Konkurrent auf diesem Land mit seinem Mähdrescher unterwegs. Da müssen bei Ihnen doch gleich alle Alarmglocken schrillen.«
»Wissen Sie was, Frau Kommissarin, ich hab wirklich Besseres zu tun, als diesem Bio-Fritzen nachzuspionieren.«
Nicole muss innerlich grinsen. »Sie haben da offensichtlich ein bisschen unterschiedliche Auffassungen.«
»Na ja.« Dossmann macht eine wegwerfende Handbewegung. »Bio is ja die große Mode heutzutage. Hab ich ja auch gar nichts gegen. Wer damit glücklich ist, soll dat ja gerne. Aber ich hab auch zufr-r-riedene Kunden.« Diesmal rollt der Hühnerbaron das »R« ganz besonders. »Und zwar in ganz Deutschland.« Als könne er seinen Wirkungskreis damit verdeutlichen, umrundet er im breitbeinigen Wiegeschritt noch einmal die Polstergarnitur.
»Herr Dossmann ist der größte Geflügelerzeuger im Nordschleswiger Raum«, erklärt Detlefsen der neben ihm sitzenden Kommissarin.
»Das ist ja alles schön und gut, Herr Dossmann, aber deswegen sind wir nicht hier, wie Sie sich denken können.«
Thies sieht Nicole Stappenbek von der Seite an. Es beeindruckt ihn, wie sie dem Hühnerbaron zu Leibe rückt. Dossmann ist nicht ganz so amüsiert.
»Kann ich mir denken, ich bin ja nich blöd. Aber deswegen geb ich Ihnen trotzdem gern gleich ’n SechserpackEier mit. Dann können sie ja mal vergleichen zwischen Bio und meinen Eiern aus Bodenhaltung.« Dossmann lässt sich in die Polster des voluminösen Dreisitzers gegenüber fallen.
»Aber Sie müssen doch zugeben, ein bisschen merkwürdig ist das schon, dass ihr Konkurrent Jörn Brodersen ausgerechnet auf dem Stück Land zu Tode kommt, um das sie sich beide bemüht haben.«
»Konkurrent? Dass ich nich lache. Erstens is Brodersen kein Geflügelzüchter, und zweitens ist er eigentlich gar kein Landwirt.«
»Herr Dossmann, so kommen wir nicht weiter.« Kommissarin Stappenbek wird langsam ungeduldig und rutscht noch ein Stück weiter auf die Sofakante.
»Woher wollen Sie eigentlich wissen, dass das nich ’n Mähunfall war?« Dossmann macht es sich jetzt auch im Karopolster gemütlich.
»Mähunfall? Nee! Herr Dossmann«, meldet sich Thies ausnahmsweise zu Wort.
»Zum jetzigen Zeitpunkt können wir gar nichts ausschließen«, sagt Nicole Stappenbek.
In dem Moment öffnet sich die Wohnzimmertür und Frau Dossmann betritt den Raum: »Hans-Werner, hast du den Kommissaren denn gar nichts angeboten? Sie haben ja gar nichts ... Hat mein Mann Ihnen gar nichts angeboten? Tasse Kaffee? Oder, Thies ...?«
Nicole
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