Rote Gruetze mit Schuss
Teil der Wiese, beginnt es heftig zu regnen. Die ersten dicken Tropfen platschen satt auf die Autos. Von Westen kommt böiger Wind auf. In den Pappeln amRand der Wiese rascheln die Blätter, als würden Folien in den Zweigen hängen, die während der Obsternte die Vögel vertreiben sollen. Über dem Mähdrescher bildet sich kurz ein kleiner Regenbogen. Eilig räumen die Kriminaltechniker ihre Utensilien in die Autos. Einige Schaulustige zücken die Regenschirme, die meisten suchen hektisch das Weite. Heike winkt noch mal zu Thies hinüber.
»Ich ruf morgen an«, ruft Börnsen der Kommissarin zu.
»Aber auf ’m Handy, Mike. Ich bleib hier noch vor Ort.«
»Wenn hinterm Deich kein Funkloch is.« Börnsen lacht. »Willkommen in der Provinz, Nicole!«
»Doktor, können Sie schon irgendwas sagen?«, fragt Detlefsen selbstbewusst.
»Nu wartet mal erst die Obduktion ab. Morgen Abend sind wir schlauer.« Carstensen wechselt den Arztkoffer von der einen in die andere Hand und zückt seinen Autoschlüssel.
»Ist schon klar«, sagt Thies.
»Aber eins kann ich euch jetzt schon sagen: In seinem Mähdrescher ist er wahrscheinlich nicht zu Tode gekommen. Auf den Toten ist geschossen worden. Großes Kaliber. Jagdgewehr oder so.«
»Geschossen?« KHK Stappenbek blickt erstaunt hoch.
»Schussverletzung?!«, ruft Thies begeistert.
13
An den Fenstern der kleinen Wache in dem roten Backsteinbau fließt ein Frühlingsgewitter herunter. Das Donnern ist ziemlich nahe und will nicht abziehen. Immer wieder erhellt ein Blitz die Fredenbüller Dorfstraße. Nach dem sonnigen Vormittag ist es innerhalb kürzester Zeit stockdunkel geworden. Die beiden Polizisten sitzen sich an den schweren Schreibtischen gegenüber. Thies hat das Licht in der Amtsstube eingeschaltet. Die Neonröhren an der Decke leuchten den Raum erbarmungslos aus. In dem kalten Licht sieht Thies die überschminkte großporige Haut auf den Wangen der Kommissarin. Nicole Stappenbek fährt ihr Notebook hoch. Die mokkabraune Lederjacke hat sie anbehalten. Sinsic grinst von dem Plakat an der Wand auf die beiden herunter.
»Sach mal, was hat der Doktor eben gesagt?« Thies schaut zu Nicole, die mit ihrem Laptop beschäftigt ist. »Aufgesetzter Schuss. Aber kein Einschussloch in der Jacke.«
Das Notebook von KHK Stappenbek gibt verdächtige Pieptöne von sich. Sie blickt besorgt auf den Bildschirm, auf dem jetzt das Landeswappen in einem Polizeistern erscheint.
»Gibt’s doch gar nich«, wundert sich Thies. »Der hat ’ne Kugel zwischen den Rippen, und in seinen Klamottenist nichts zu sehen? Haben sie den vorher ausgezogen, bevor sie ihn erschossen haben, und dann wieder angezogen, oder was?«
Die Kommissarin blickt von ihrem Laptop auf und sieht Thies prüfend an. »Vielleicht war er vorher schon nackt und ist irgendwie überrascht worden.« Nicole grinst.
»Du meinst ...?«
»Du hast doch erzählt, dass er so einiges am Laufen hatte. Brodersen war doch ’n Frauentyp, oder?«
»Na ja, weiß nich ... Es gibt eigentlich keine, die er nich angegraben hat, bis auf ’n paar Ausnahmen natürlich.« Thies ist Brodersens Erfolg bei der Fredenbüller Damenwelt schon immer suspekt gewesen. »Du denkst jetzt an eine Eifersuchtstat?«
Nicole zuckt die Achseln. »Wir müssen in alle Richtungen ermitteln.«
»Meinst du, Lara hat ihn mit ’ner andern überrascht?«
»Keine Ahnung.«
»Schusswaffe kann ich mir bei Lara ja gar nicht vorstellen. Dat passt doch nicht zu ihren Duftölen und Meditation und so. Andererseits, verrückt genug ist sie ja.«
»Und was war mit dieser Versicherungspolice?« Die Kommissarin zieht geräuschvoll die Luft durch die Nase.
»Ja klar, bei Lara müssen wir sowieso noch mal längs und bei Hauke Schröder auch.«
»Thies, wir müssen mit einigen reden: mit von Rissen, mit den polnischen Arbeitern und mit Dossmann. Mit dem sind wir auch noch nicht durch.«
Das Gewitterdonnern ist Richtung Schleswig abgezogen. Dafür ist der Regen noch stärker geworden. Das Wasser wird jetzt so heftig gegen die Fenster gedrückt, dass die Dorfstraße kaum noch durch die Scheiben zu erkennen ist.
Thies blickt versonnen auf den strömenden Regen. »Sach mal, Nicole, müssen wir eigentlich auch ’ne Pressekonferenz machen?«
»Is vielleicht noch ein bisschen früh. Außer der Schussverletzung haben wir ja noch nicht so viel zu bieten.«
Die Kommissarin tippt etwas in ihr Notebook. Thies guckt.
»Eigentlich bräuchte ich jetzt erst mal ’n Kaffee. Gibt’s
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