Rote Gruetze mit Schuss
Rettungswagen von zwei Sanitätern versorgt. Bürgermeister Hans-Jürgen Ahlbeck ist aus seinem Supermarkt herübergekommen, um nach dem Rechten zu sehen. Janine ist noch etwas blass um die Nase, aber sie sitzt schon wieder in der offenen Heckklappe des Rettungswagens auf einer Trage.
»Moin, Frau Kommissarin.« Der Bürgermeister im Edeka-Kittel stürmt mit ausgestreckter Hand auf Nicole Stappenbek zu, zwischendurch wendet er sich an Alexandra. »Frau Bandixen sitzt noch bei dir im Salon, weiß du, oder?«
»Ja, ich weiß.«
Während die Friseurin nervös ihre ahnungslose Kundin unter der Trockenhaube hervorholt, wagt die Kommissarin einen ersten Blick in den Hinterraum, wo die Sonnenbank steht.
»Zwingen Sie mich nich, da noch mal reinzugehen.«
»Keine Sorge, das müssen Sie nicht. Aber bitte auch hier nichts verändern, nichts anfassen«, sagt Nicole bestimmt.
»Aber Frau Bandixen die Lockenwickler rausmachen darf ich? Oder?«
»Ja, ja, sicher.«
Der Tote unter dem Turbobräuner bietet tatsächlicheinen grauenhaften Anblick. Eine Sonnenbank als Tatwaffe hatte ich auch noch nicht, denkt Nicole. Vermutlich war Leif Ketels schon vorher tot gewesen. Beim Anblick des Toten wird ihr schon etwas weich in den Knien. Im Raum riecht es penetrant nach verbrannter Haut. Und nach Maiglöckchen. Von der Kombination wird Nicole im Handumdrehen übel.
Schon blöd, dass Thies ausgerechnet heute Morgen die Besprechung mit der Lehrerin hat, denkt Nicole. Sie hat im Augenblick überhaupt keine Lust, Lara Ketels schon wieder aufzusuchen, um ihr den Tod ihres Bruders mitzuteilen. Das wenigstens könnte Thies doch nachher übernehmen. Aber Nicole will die Zeit, bis die Kieler Kollegen wieder angerückt sind, nutzen. Sie kann wenigstens das Haus des Opfers schon mal etwas genauer unter die Lupe nehmen.
Sie fährt zu Ketels’ Haus. Das Türschloss hat Nicole mit ihrer Kreditkarte sofort geöffnet. Drinnen hat sich wenig verändert, seit sie mit Thies zusammen vor ein paar Tagen hier war, um Leif Ketels zu verhaften. Im Wohnzimmer sieht es sogar etwas aufgeräumter aus. Nur in den Ecken liegen Wollmäuse. Nicole sieht sich im Haus etwas um. Sie weiß gar nicht recht, wonach sie suchen soll.
Im Büro liegen mehrere Ordner mit Versicherungsverträgen. Alles wirkt penibel geordnet. Wenn sie von Leif Ketels’ unregelmäßigen Praktiken nichts wüsste, hätte sie keinen Grund, Verdacht zu schöpfen. Es sieht aus wie in vielen anderen Büros. Drucker, Kopierer, Fax-Gerät. Ungeöffnete Pakete mit Papier, ein Aktenschrank, mehrere Papierkörbe, in denen der Büromüll getrennt wird. Schon seltsam, denkt Nicole, die Versicherungensind alle nicht gedeckt, aber Hauptsache der Abfall wird richtig getrennt. Und dann bleibt ihr Blick auf dem größeren grauen Kunststoffbehälter hängen, in dem sich das Altpapier stapelt. Darin liegen Zeitungsteile, die ihr sofort ins Auge springen. Die Zeitungen sind zerschnitten. Einzelne Wörter und Buchstaben sind aus dem ›Nordfriesland-Boten‹ ausgeschnitten.
Nicole Stappenbek ahnt natürlich sofort, was Ketels damit wollte: Erpressung! Da ist es, das Motiv für den Mord an Leif Ketels! Jetzt braucht sie nur noch den Mörder. Sie breitet die zerschnittenen Zeitungsteile auf dem Schreibtisch aus. Die Schnipsel liegen vor ihr wie die Teile eines Puzzles.
»Neutönningersiel« könnte ein längeres Wort sein, das in dem Zeitungstext über den Baustopp am Fahrradweg fehlt. Und dann sind einzelne Großbuchstaben ausgeschnitten: »G«, »R«, »D« und »L«, wenn sie das richtig sieht. Auf die Schnelle kann sie sich keinen Reim darauf machen. Vor der Eingangstür raucht sie noch eine Zigarette, dann beschließt sie, die Zeitungsschnipsel Thies oder Mike Börnsen zu überlassen. Jetzt muss sie erst mal ihr Handy aus dem Imbiss holen.
Nicht nur Nicole hat eine Entdeckung gemacht, Antje ist auch noch etwas eingefallen. Gestern Nacht hatte »De Hidde Kist« lange geöffnet, weil Klaas, Bounty und Piet Paulsen nachts noch Boxen sehen wollten. Gegen ein Uhr stieß unerwartet Onno von Rissen zu der Runde, bestellte eine große Portion Rote Grütze mit Schuss, zwei weitere zum Mitnehmen und verabschiedete sich dann wieder. »Macht er öfter mal«, erzählt Antje. SeitdemHuberta ihn nach dem Feuerwehrfest aus dem Gutshaus rausgeschmissen und er vorläufig in der Kutscherwohnung Quartier bezogen hat, lässt er sich von Antje regelmäßig Mahlzeiten einpacken.
»Nur diesmal roch er irgendwie komisch. Als wenn
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