Rote Gruetze mit Schuss
starren alle durch die große Glasscheibe nach draußen. Salonbesitzerin Alexandra rast mit wehendem Friseurkittel, wie von der Tarantel gestochen, durch den Regen über die Dorfstraße auf den Imbiss zu. Schäfermischling Susi, der gerade von seinem Morgenspaziergang zurückkommt, springt freudig hinter ihr her. »Da hat dat aber jemand eilig«, brummt Paulsen noch. Alexandra stößt hektisch die Tür auf und stößt prompt einen der Barhocker an Stehtisch eins um. Sie ist völlig außer Atem.
»Frau Kommissarin, ganz schnell!«, stammelt sie. »Sie müssen sofort kommen! Auf der Sonnenbank! Er liegt auf der Sonnenbank! Es ist grauenhaft!«
Nicole zieht die Luft hoch und verschluckt sich dabei fast an ihrem Croque.
»Was ist denn passiert, Alexandra? Nun komm erst mal wieder zu Atem«, versucht Antje sie zu beruhigen.
»Er ist regelrecht verkohlt. Ich hab so was noch nicht gesehen. Die arme Janine hat ihn eben gefunden. Sie hatte sich schon gewundert, dass der Salon offen war und ich noch nicht da. Sie hat noch Hilfe gerufen und dann ist sie gleich weggekippt. Ich hab schon den Krankenwagen geholt.«
Paulsen blickt angesichts dieses Wortschwalls skeptischüber seine Gleitsichtbrille hinweg. Antje stellt eine Schale Kartoffelsalat beiseite. Klaas knöpft unternehmungsbereit seine Postjacke zu.
»Was ist denn passiert?«, fragt Nicole Stappenbek. »Jetzt mal eins nach dem anderen.«
»Er liegt verbrannt in dem Acapulco-Kombi ...«
»Acapulco?« Nicole versteht nicht ganz.
»Dat is der Turbobräuner«, erklärt Klaas.
»Wer denn überhaupt?«, will Antje wissen.
»Er ist regelrecht gegrillt! Leif!«
»Leif Ketels?«
»Ja natürlich, Leif Ketels, das heißt, eigentlich ist nicht mehr viel von ihm zu erkennen.«
»Wat macht der denn mitten in der Nacht auf der Sonnenbank?«, brummt Paulsen.
»Hatte Herr Ketels Zugang zu Ihrem Salon?«, fragt die Kommissarin, die von dem Verhältnis der Friseurmeisterin mit dem Toten natürlich auch gehört hat. »Hatte er einen Schlüssel?«
Alexandra geht auf die Frage überhaupt nicht ein. »Und das Gerät war immer noch an. Alle Röhren. Dauerbetrieb. Dat überlebt kein Mensch. Da muss jemand was an dem Temperaturregler gefummelt haben.«
»Gibt es Anzeichen für eine Manipulation?«, fragt Nicole.
Alexandra hält kurz inne, um Atem zu schöpfen. »Und wie dat stinkt! Der muss mit einem von meinen Aromaölen übergossen worden sein. Ihr könnt euch das nicht vorstellen. Er ist irgendwie blasig und glänzt so dunkelrot bis schwarz. Wie ’n Hähnchen,das zu lange im Grill war.« Alexandra dagegen ist kalkweiß.
»Schrecklich«, seufzt Antje, die sich mit Grillgut ja gut auskennt.
»Und er hatte keine Chance, da rauszukommen.« Alexandra ist den Tränen nahe.
»Alexandra, hör auf, mir wird ganz anders.«
»Das ist ja grauenhaft«, sagt Nicole Stappenbek. »Aber möglicherweise war er gar nicht mehr am Leben«, gibt sie zu Bedenken.
»Nee, er konnte nicht. Die Bügel, mit denen man die Oberseite hochklappen kann, waren x-mal zusammengebunden ... mit dem Kabel von einem Föhn.«
»Der Acapulco 28/1 Kombi ist ein zweischaliger Bräuner«, erklärt Klaas, der das Mordwerkzeug schließlich mit installiert hat.
»Gerade Leif, er hat doch nu sowieso immer diese blasse, empfindliche Haut gehabt.«
»Sie haben hoffentlich nichts verändert«, sagt die Kommissarin zu Alexandra.
»Na ja, die Sonnenbank hab ich ausgeschaltet.«
»Natürlich, ist schon klar.«
»Sollen sowieso gar nich gut sein, diese Sonnenstudios«, resümiert Paulsen heiser, zieht die Lederweste stramm und hustet.
»Irgendwie auch tragisch«, findet Klaas. »Wo ist Thies eigentlich?«
»Thies hat sich heute Morgen freigenommen«, sagt Nicole und richtet ihre Sonnenbrille im Haar. »Termin in der Schule. Wegen der Zwillinge. Dies hier konnte ja nun keiner ahnen.«
»Ach, du meine Güte«, fällt Alexandra plötzlich ein, »ich hab noch Frau Bandixen vorne im Salon mit Dauerwelle unter der Trockenhaube sitzen.«
»Aber nur Trockenhaube, oder?« Klaas blickt skeptisch.
»Ich geh da nich wieder hin.«
»Wir gehen da jetzt zusammen hin«, sagt Nicole Stappenbek zu ihr und zu den anderen: »Falls Thies hier aufkreuzt, ich bin im Friseursalon und jederzeit auf dem Handy zu erreichen.« Ihr Telefon allerdings lässt sie dann in der ganzen Aufregung neben dem angebissenen Croque auf Stehtisch zwei liegen.
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Lehrling Janine, die angesichts des gegrillten Versicherungsvertreters umgekippt ist, wird im
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