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Rote Jägerin - Wells, J: Rote Jägerin - Red-Headed Stepchild

Titel: Rote Jägerin - Wells, J: Rote Jägerin - Red-Headed Stepchild Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jaye Wells
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fühlte mich einerseits wie eine Voyeurin, anderseits wie eine Teilnehmerin des Spektakels. Obwohl es für mich das Natürlichste der Welt war, mich von Menschen zu ernähren, kam mir das, was da vor dem Altar geschah, wie eine Art Schändung vor. Vielleicht lag es daran, dass Clovis hier etwas tat, wovor sich die Menschen normalerweise fürchteten, und es als Religion verkaufte.
    Ein eigenartiges Gefühl regte sich in mir, das ich nicht so recht zu benennen vermochte. Meldete sich etwa mein schlechtes Gewissen zu Wort, das sich sonst selten bei mir blicken ließ?
    Das Spektakel war rasch vorbei. Die Frau sackte in Clovis Armen zusammen. Sie hatte das Bewusstsein verloren. Clovis leckte sorgsam die Wunde sauber. Der Anblick seiner Zunge, die über ihre Haut glitt, hatte etwas ausgesprochen Erotisches. Ich schüttelte meine Empfindungen ab und stand auf. Ich brauchte unbedingt ein paar Minuten, um mich zu sammeln, ehe ich Clovis gegenübertrat. Ihm in meinem augenblicklichen Erregungszustand zu begegnen, erschien mir keine gute Idee zu sein.
    Während die Ordensbrüder die Frau wegtrugen, verdrückte ich mich in eines der beiden Seitenschiffe. Clovis
folgte mir mit den Augen. Als er lächelte, entblößte er seine blutverschmierten Zähne. Auch an seinen sinnlichen Lippen zeigten sich Spuren von Blut. Er hob die Hand und schien mir eine Kusshand zuzuwerfen.
    In diesem Moment wusste ich, dass es ein Fehler gewesen war, hierherzukommen. Er würde mich genauso verschlingen wie die Frau vor dem Altar. Nur wollte er in meinem Fall nicht mein Blut. Er wollte meine Seele.
     
    Clovis betrat eine halbe Stunde später sein Büro. Frank folgte ihm auf den Fersen. Ich stand gegenüber der Tür, mit einer Bücherwand in meinem Rücken. Schließlich wollte ich auf keinen Fall überrumpelt werden.
    »Sabina Kane.« Seine Stimme umspielte mich wie heißer Wind.
    Ich nickte und nahm die Hand, die er mir entgegenstreckte. Seine Haut schien die meine fast zu versengen. Verzweifelt bemühte ich mich, meine Miene so ausdruckslos wie möglich zu halten. Jedes Anzeichen von Schwäche konnte zu diesem Zeitpunkt tödlich sein. Natürlich befand sich Clovis sowieso in einer wesentlich besseren Position als ich. Schließlich trafen wir uns in seinem Büro, Frank behielt die Tür im Auge, und draußen im Foyer hielt sich zweifelsohne ein Heer von Wächtern bereit.
    »Es freut mich außerordentlich, Sie kennenzulernen«, fuhr er fort, als er endlich meine Hand losließ. »Ihr Ruf eilt Ihnen voraus.« Er wies auf einen Stuhl vor einem gewaltigen Ebenholztisch.
    »Je nach Quelle dürfte das entweder ein guter oder ein weniger guter Ruf sein.«
    »Ich kann Ihnen versichern, dass alle Berichte höchst positiv waren.«

    »Dann treffen sie natürlich zu«, erwiderte ich ironisch und ließ mich geschmeidig auf dem Stuhl nieder, den er mir angeboten hatte.
    Seine Mundwinkel zuckten, ohne dass das Lächeln jedoch seine Augen erreicht hätte, die aus der Nähe noch intensiver wirkten. Er schien keine Iris zu haben, sondern nur zwei große schwarze Pupillen – wie zwei riesige schwarze Seen. Ich befürchtete fast, hineinzufallen, wenn ich zu lange hineinsah. Also senkte ich den Blick und schlug sittsam die Beine übereinander.
    »Soweit ich weiß, hat es zwischen Ihnen und den Dominae … sagen wir einmal … gewisse Schwierigkeiten gegeben«, meinte Clovis und lehnte sich lässig auf seinem schwarzen Lederstuhl zurück.
    »Wir sollten es eher eine Meinungsverschiedenheit nennen«, entgegnete ich.
    Er zog eine Augenbraue hoch. »Wirklich? Sollten wir das?«
    »Die Dominae erwarten von mir, treu ihren Gesetzen zu folgen, was mir nicht immer behagt.«
    Ihm schien meine Antwort zu gefallen, denn er zeigte die Andeutung eines Lächelns. Aber ganz sicher war ich mir nicht. Äußerlich betrachtet sah er mit seinem schiefergrauen Nadelstreifenanzug, dem weißen Hemd und der silberschwarzen Krawatte wie ein Geschäftsmann aus. Doch unter dieser Oberfläche schien es zu brodeln. Ich konnte allerdings nicht recht sagen, woran es lag, denn jedes Mal, wenn ich versuchte, dieses diffuse Gefühl beim Namen zu nennen, entzog es sich mir.
    »Lassen Sie mich eine Frage stellen.« Seine Stimme riss mich aus meinem tranceartigen Zustand. Als ich nickte, fuhr er fort: »Was haben Sie von der Messe gehalten?«

    »Sie war … interessant.«
    Er lachte leise. »Ich wusste nicht, dass Sie auch so diplomatisch sein können und nicht nur eine gute Killerin sind, Sabina.«
    Ich

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