Rote Jägerin - Wells, J: Rote Jägerin - Red-Headed Stepchild
er dazu auch Magier, Feen und Sterbliche anheuerte.
»Eine Frage, Sabina«, sagte er und lehnte sich an eines der Etagenbetten. »Haben Sie sich noch nie gewünscht,
genau so akzeptiert zu werden, wie Sie sind – halb Vampirin und halb Magierin?«
Es fühlte sich an, als hätte er mir einen Schlag in die Magengrube versetzt. Hastig biss ich mir auf die Lippe, um ihn nicht wütend anzufahren. »Es ist manchmal ziemlich frustrierend, wie eine Ausgestoßene behandelt zu werden. Das muss ich zugeben.«
Clovis sah mir tief in die Augen, als wolle er in meine Seele blicken. Ich hatte den unheimlichen Eindruck, dass es ihm sogar gelingen könnte. »Waren Sie noch nie wütend, weil Sie mit dem Makel Ihrer vom Pfad abgekommenen Eltern geschlagen sind? Haben Sie sich noch nie danach gesehnt, endlich einmal in Frieden leben zu dürfen?«
Er wandte den Blick nicht ab, während er sprach. Auf einmal überkam mich eine große Ruhe, fast so, als würde er mich mit seinen schwarz glühenden Augen hypnotisieren. Ich spürte, wie etwas meinen Geist berührte. Das riss mich aus meiner Trance. Das Letzte, was ich jetzt brauchen konnte, war Clovis, der meine Gedanken las. Ich räusperte mich ausgiebig und richtete währenddessen meine ganze Konzentration darauf, mich abzuschirmen.
Er schenkte mir ein wissendes Lächeln. »Sie vertrauen mir noch nicht genug, um mir Ihre Geheimnisse zu offenbaren, Sabina. Ich hoffe aber, dass Sie mich eines Tages in alles einweihen werden.«
Darauf würde ich nicht bauen, dachte ich.
Laut meinte ich jedoch: »Wenn ich zusagen würde, Ihrer …« Beinahe hätte ich Sekte gesagt, hielt mich aber gerade noch rechtzeitig zurück. »… Ihrer Gruppe beizutreten, was würde das für mich bedeuten?«
Clovis ging weiter. Er führte mich erneut durch eine
Tür, und wir landeten wieder im Innenhof mit dem Brunnen. Nach außen hin tat er so, als müsse er über meine Frage erst einmal nachdenken.
Obwohl ich ihm genauso wenig vertraute, wie ich einer Giftschlange vertraut hätte, spürte ich doch die große Anziehungskraft, die sein Körper auf mich ausübte. Ich musste mich geradezu dazu zwingen, eine angemessene Distanz zu ihm einzuhalten.
Er war etwa einen Kopf größer als ich. Seine breiten Schultern wurden noch durch den Schnitt seines Anzuges unterstrichen. Und dann sein Gesicht … Verdammt. Er hatte ein Gesicht, das selbst eine Nonne dazu gebracht hätte, ihr Keuschheitsgelübde noch einmal zu überdenken.
Körperlich war Clovis wirklich ein ziemlich scharfer Bösewicht. Aber es steckte noch mehr dahinter. Er besaß eine Aura, die etwas unglaublich Verführerisches ausstrahlte. Ich musste mich sehr anstrengen, mir immer wieder ins Gedächtnis zu rufen, dass er in Wahrheit mein Feind und mein nächstes Opfer war.
Wir standen vor dem Brunnen, als er schließlich weitersprach. »Ihre Initiation würde ziemlich schnell vonstattengehen. Im Grunde wäre es reine Formsache.«
Wieder fiel mir auf, dass er nicht ins Detail ging. »Ich möchte nicht unhöflich sein, Clovis. Aber wenn ich einwillige, Ihrer Gruppe beizutreten, muss ich schon etwas mehr Einzelheiten erfahren. Was haben Sie mit mir vor, und was beinhaltet eine solche Initiation genau?«
Er strich mit der Handfläche über das Wasser im Brunnen, als wolle er es streicheln. Als er die Hand hob, tropfte es von seinen Fingerspitzen. Langsam und betont sinnlich fuhr er sich mit dem Zeigefinger über seine schöne
Unterlippe. Plötzlich wurde mein Mund trocken, mein Höschen hingegen unangenehm feucht.
Er zuckte mit den Achseln. »Diese Fragen kann ich Ihnen leider erst beantworten, wenn Sie uns beigetreten sind. Aber ich bin mir sicher, dass Sie mit der Initiation keine Probleme haben werden.«
»Und Ihr Plan?«
Er rieb seine Handflächen aneinander und sah mich aufmerksam an. »Leider kann ich Ihnen auch diese Einzelheiten erst enthüllen, wenn Sie das Ritual hinter sich gebracht haben.«
»Sie geben einer Frau ja nicht gerade viel, an dem sie sich orientieren kann – was?«
Er lächelte. »Unglücklicherweise ist mein Auftrag derart geheim, dass ich die Details nur jenen verraten kann, die zu meinen Vertrauten gehören. Ich bin mir sicher, Sie verstehen das.«
Er ließ sich um keinen Preis festnageln – so viel stand fest.
»Und wenn ich mich nun gegen Sie entscheiden würde«, fragte ich. »Was würde dann passieren?«
Clovis zuckte mit den Schultern. »Dann würden sich unsere Wege wieder trennen. Allerdings bin ich mir recht
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