Rote Lilien
habe.«
»Ich könnte nach Boston fliegen und Veronica bei der Durchsicht der Dokumente helfen.« Doch dann schüttelte Mitch den Kopf. »Aber ich würde sie jetzt nur sehr ungern allein lassen.«
»Du willst damit sagen, es wäre sicherer, wenn wir alle hier blieben?« Roz nahm seine Hand. »Der Meinung bin ich auch. Und ehrlich gesagt gefällt mir der Gedanke gar nicht, dass David tagsüber so lange allein im Haus ist.«
»Für mich interessiert sie sich nicht.« David schenkte sich ein Glas Wein ein und prostete den anderen zu. »Ich bin zwar ein Mann, aber kein Blutsverwandter von ihr. Und schwul, was ebenfalls dafür sorgen dürfte, dass ich nicht von Interesse für sie bin. Außerdem sieht sie mich vermutlich als Dienstboten. Und damit stehe ich am unteren Ende der Nahrungskette.«
»Ich hoffe, sie weiß das auch«, erwiderte Roz. »Aber für sie wäre das logisch, und es erleichtert mich ganz ungemein. Wir sollen sie finden. Das hat sie schon mal gesagt.«
»Ihr Grab«, warf Mitch ein. »Ich glaube, da sind wir uns einig.« Roz ging zu David und trank einen Schluck Wein aus seinem Glas. »Aber wie zum Teufel sollen wir es finden?«
Später, als es im Haus still geworden war und Lily in ihrem Bettchen schlief, fand Hayley einfach keine Ruhe. »In einem Moment bin ich todmüde und könnte auf der Stelle umfallen, im nächsten dann wieder hellwach. Wahrscheinlich bin ich eine Zumutung für dich.«
»Du sagst es.« Harper grinste und zog sie neben sich auf das Sofa. »Warum sehen wir uns nicht das Spiel an? Ich geh runter in die Küche und versuche, Junkfood für uns zu organisieren.«
»Ich soll mich hier hinsetzen und mir ein Baseballspiel ansehen?«
»Ich dachte, du magst Baseball?«
»Schon, aber ich bin nicht so verrückt danach, dass ich mich jetzt wie ein Zombie vor den Fernseher hocke.«
»Okay.« Er seufzte übertrieben laut. »Dann werde ich jetzt das größte Opfer bringen, das mir und meinen Geschlechtsgenossen möglich ist. Such dir eine DVD aus. Wir sehen uns einen Film an, und es darf auch ein Mädchenfilm sein.« Sie lehnte sich zurück. »Das würdest du für mich tun?«
»Aber du machst das Popcorn.«
»Du willst dich wirklich hier hinsetzen und mit mir zusammen einen Mädchenfilm ansehen - ohne auch nur eine einzige abfällige Bemerkung zu machen?«
»Ich kann mich nicht daran erinnern, dass ich dem zweiten Teil zugestimmt habe.«
»Actionfilme mag ich auch ganz gern.«
»Dem Himmel sei gedankt.«
»Aber jetzt würde ich mir gerne was Romantisches ansehen, mit ein paar Szenen, in denen ich ordentlich heulen kann. Du bist ein Schatz!« Sie gab ihm einen laut schmatzenden Kuss auf den Mund und sprang auf.
»Ich hau ein halbes Pfund Butter auf das Popcorn.« An der Tür blieb sie stehen, drehte sich um und strahlte ihn an. »Mir geht's schon viel besser.«
Noch nie in ihrem Leben hatte Hayley solche Stimmungsschwankungen erlebt. Von überschäumender Energie zu Erschöpfung, von Freude zu Verzweiflung. Sie hatte den Eindruck, als würde sie jeden Tag die gesamte Skala durchlaufen. Außerdem hatte sie ständig das nagende Gefühl, dass wieder etwas passieren würde. Wenn sich ihre Laune in Richtung einer Depression bewegte, betete sie sich wie ein Mantra vor, was sie alles hatte. Ein süßes Kind, einen wunderbaren Mann, der sie liebte, Freunde, Familie, eine interessante Arbeit. Trotzdem schien sie den tiefen Fall nicht aufhalten zu können, wenn es abwärts ging. Sie fragte sich, ob vielleicht krank war. Ein gestörtes Gleichgewicht ihres Stoffwechsels, ein Gehirntumor. Vielleicht verlor sie ja auch den Verstand, so wie die Geisterbraut. Müde und genervt fuhr sie an ihrem freien Vormittag Also zum Wal-Mart, um Windeln, Shampoo und einige andere Sachen zu kaufen. Sie war heilfroh darüber, etwas Zeit für sich allein zu haben. Oder besser gesagt Zeit für sich und Lily, verbesserte sie sich, während sie ihre Tochter auf dem Kindersitz des Einkaufswagens festschnallte. Wenigstens fühlte sich keiner verpflichtet, auf sie aufzupassen, wenn sie Harper House oder das Gartencenter verließ. Sie beobachteten sie wie ein Luchs. Es war zum Verzweifeln. Hayley wusste, warum sie es taten, und sie war ihnen auch sehr dankbar dafür. Doch das konnte nichts daran ändern, dass sie das Gefühl hatte, erstickt zu werden. Es hätte nicht viel gefehlt und einer von ihnen würde ihr morgens die Zahnpasta auf die Zahnbürste drücken. Sie schob den Einkaufswagen durch die Gänge und holte
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