Rote Lilien
umher.
»Wo sind die Kinder? Wo sind sie?«
»Draußen«, sagte Roz leise. »Sie spielen draußen.«
»Ich mag Kinder«, fuhr Hayley versonnen fort. »Wer hätte das gedacht? Was für unordentliche kleine Monster. Aber so süß, so süß und weich, wenn sie schlafen. Wenn sie schlafen, mag ich sie am liebsten. Ich hätte ihm die Welt gezeigt, meinem kleinen James. Die ganze Welt. Und er hätte mich nie verlassen. Glaubt ihr etwa, ich will ihr Mitleid?«, sagte sie plötzlich wütend geworden. »Das Mitleid einer Haushälterin? Einer Bediensteten? Glaubt ihr, ich will ihr Mitleid? Sie und der Rest von ihnen sollen verdammt sein. Ich hätte sie alle im Schlaf töten sollen.«
»Und warum hast du es nicht getan?« Sie starrte Harper an. »Es gibt andere Möglichkeiten, um jemanden zu verdammen. Du siehst gut aus. Du bist wie er.«
»Das bin ich nicht. Ich gehöre zu dir. Ich bin der Sohn des Sohnes deines Sohnes.« Ihr Blick verschleierte sich, und ihre Finger krampften sich in den Stoff von Hayleys Hose. »James? Mein kleiner Sohn? Ich habe über dich gewacht. Mein süßes Baby. Mein hübscher kleiner Junge. Ich bin zu dir gekommen.«
»Ich kann mich daran erinnern. Was willst du?«
»Du sollst mich finden. Ich habe mich verirrt.«
»Was ist mit dir passiert?«
»Das weißt du doch! Du hast es getan. Und du wirst für immer verdammt dafür sein. Mit meinem letzten Atemzug habe ich dich verflucht. Ich will haben, was mir gehört.«
Hayleys Kopf fiel nach hinten, und ihre Hände pressten sich auf ihren Bauch, bevor ihr Körper erzitterte. Sie atmete hörbar aus. »Großer Gott.« Harper nahm ihre Hände und kniete sich vor sie. »Hayley?«
»Ja.« Ihr Blick war verschleiert, das Gesicht so weiß wie Papier. »Kann ich bitte etwas Wasser haben?« Harper zog ihre Hände zu sich und legte sein Gesicht hinein. »Du musst damit aufhören.«
»Lieber nicht. Sie war stocksauer. Danke«, sagte sie zu David, als er ihr ein Glas Wasser gab. Sie leerte es mit einem Zug, als sei sie am Verdursten. »Sauer, traurig, dann wieder sauer - so ziemlich alles, was es an intensiven Gefühlen gibt. Der Brief hat ihr ziemlich zugesetzt. Mir übrigens auch.« Sie wandte sich an Mitch, während Harper weiterhin ihre Hände hielt. »Sie hat mir so Leid getan, und der Haushälterin auch. Ich konnte es sehen. Als würde ich ein Buch lesen. Das Haus, die Leute. Ich kann mir gut vorstellen, wie es wäre, wenn jemand Lily hätte und ich nichts tun könnte, um sie zurückzubekommen. Als Erstes hätte ich natürlich Beatrice eine gescheuert. So ein Miststück. Wahrscheinlich habe ich mich ziemlich aufgeregt, und das hat Amelia ausgenutzt und sich hereingeschlichen.«
Ihre Finger schlangen sich um Harpers Hände. »Zu dir hat sie eine etwas verdrehte Einstellung. Sie erinnert sich an dich als Baby, als kleinen Jungen, und sie liebt dich, weil du von ihrem Blut bist. Aber du bist auch sein Sohn. Und du siehst ihm ähnlich. Jedenfalls kommt es mir so vor. Es ist alles ziemlich verwirrend.«
»Du bist stärker als sie«, sagte Harper.
»Zumindest zurechnungsfähiger als sie.«
»Du hast das großartig gemacht.« Mitch schob seinen Kassettenrecorder beiseite. »Und ich würde sagen, für heute hast du genug gehabt.«
»Es war ein anstrengender Tag.«
Hayley zwang sich zu einem Lächeln, als sie die anderen ansah. »Sind jetzt alle wach?«
»Das kann man wohl sagen. Was hältst du davon, nach oben zu gehen und dich hinzulegen?«, schlug Stella vor. »Logan wird gleich einmal nach den Kindern sehen. Machst du das?«
»Na klar.« Er ging aber zuerst zu Hayley und tätschelte ihr den Rücken. »Geh ruhig nach oben und ruh dich ein bisschen aus, Hayley.«
»Das mach ich, danke.« Harper richtete sich auf und nahm ihre Hand, um ihr beim Aufstehen zu helfen. »Ich weiß wirklich nicht, was ich ohne euch machen würde.« Roz wartete, bis sie aus dem Zimmer waren. »Die Sache setzt ihr zu. Ich habe sie noch nie so müde und erschöpft gesehen. Hayley ist sonst immer das reinste Energiebündel. Aber jetzt brauche ich sie nur anzusehen, um selber müde zu werden.«
»Wir müssen die Sache zu Ende bringen.« Logan ging zur Tür. »Und zwar bald«, sagte er, bevor er nach draußen ging. »Aber was sollen wir denn machen?« Stella hob hilflos die Hände. »Einfach nur abwarten scheint nicht genug zu sein. Ich weiß nicht, wie es euch gegangen ist, aber mir ist es kalt über den Rücken gelaufen, als ich das eben gesehen
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