Rote Lilien
sich lustlos die Sachen aus den Regalen, die sie brauchte. Dann machte sie einen Abstecher in die Kosmetikabteilung, weil sie dachte, ein neuer Lippenstift würde sie vielleicht etwas aufheitern können. Doch die Farbtöne waren entweder zu dunkel oder zu hell. Keiner stand ihr richtig gut. Sie sah in letzter Zeit immer so blass aus, dass es wie angemalt aussehen würde, wenn sie Lippenstift in einer kräftigen Farbe auftrug.
Vielleicht ein neues Parfüm. Doch bei jedem Tester, an dem sie schnüffelte, wurde ihr noch übler. »Oh, vergiss es«, murmelte sie. Als Hayley sich umdrehte, um nach Lily zu sehen, stellte sie fest, dass ihre Tochter gerade versuchte, mit den Armen einen Drehständer mit Wimperntusche und Augenbrauenstiften zu erreichen. »Das hat noch eine Weile Zeit, junge Dame. Aber es macht Spaß, ein Mädchen zu sein. Wir bekommen dann ganz viele Sachen, mit denen wir spielen können.« Hayley suchte eine Wimperntusche für sich aus und warf sie in den Einkaufswagen. »Aber irgendwie habe ich zurzeit keine Lust darauf. Wir holen dir jetzt besser deine Windeln. Und wenn du brav bist, kaufe ich dir ein neues Bilderbuch.« Sie schob den Wagen in den nächsten Gang und setzte nur widerwillig ihren Einkauf fort. Wenn sie damit fertig war, musste sie Lily zum Babysitter bringen und wieder zur Arbeit fahren. Wo sich für den Rest des Tages ein Schatten an ihre Fersen heften würde. Sie wollte endlich mal wieder etwas Normales tun. Endlich wieder das Gefühl haben, etwas zu tun.
Irgendwas. Als sie aus den Augenwinkeln etwas in einem Regal rechts von sich sah, blieb sie stehen. Ihr wurde übel, als ein Gefühl der Panik in ihr aufstieg. Plötzlich wurde ihr einiges klar. Und diese Gewissheit verstärkte sich noch, als sie hastig im Kopfnachrechnete. Hayley schloss die Augen und meinte, im Boden zu versinken. Dann machte sie sie wieder auf und starrte in Lilys strahlendes Gesicht. Und griff nach den Schwangerschaftstests.
Sie gab Lily beim Babysitter ab und behielt ihr starres Lächeln auf dem Gesicht, bis sie wieder im Wagen saß. Auf dem Weg nach Hause versuchte sie, an nichts zu denken.
Sie würde weder denken noch Spekulationen anstellen. Sie würde einfach nach Hause gehen und den Test machen. Wenn er negativ war - und natürlich würde er negativ sein -, würde sie die Packungen irgendwo verstecken, bis sie sie unbemerkt verschwinden lassen konnte.
Dann würde niemand wissen, dass sie gerade in Panik geraten war. Sie war nicht wieder schwanger. Es war unmöglich, dass sie wieder schwanger war. Hayley stellte das Auto ab und vergewisserte sich, dass die Packungen ganz unten in der Einkaufstüte versteckt waren. Doch sie hatte noch keine zwei Schritte ins Haus gemacht, als wie aus dem Nichts David auftauchte. »Hayley. Soll ich dir helfen?«
»Nein.« Sie drückte die Tüte an die Brust, als wäre sie voller Gold.
»Nein«, wiederholte sie etwas ruhiger. »Ich bring nur schnell die Sachen nach oben. Und ich muss auf die Toilette, wenn du gestattest.«
»Ich gestatte, weil ich auch öfter zur Toilette muss.« Ihr war klar, dass sie sehr unhöflich zu ihm gewesen war. »Tut mir Leid. Ich bin heute ziemlich schlecht drauf.«
»Auch dieses Gefühl kenne ich aus eigener leidvoller Erfahrung.« Er zog eine Dose mit Fruchtbonbons aus der Tasche und hielt sie hoch. »Mund auf.« Sie lächelte und gehorchte. »Mal sehen, ob wir dir deine Laune nicht etwas versüßen können«, sagte er, während er ihr ein Bonbon in den Mund schob. »Ich mach mir Sorgen um dich, Herzchen.«
»Ich weiß. Und wenn ich in fünfzehn Minuten nicht wieder unten bin, kannst du die Kavallerie holen. Abgemacht?«
»Abgemacht. « Sie eilte nach oben und kippte den Inhalt der Einkaufstüte auf ihr Bett - o nein, sie hatte vergessen, Windeln zu kaufen. Fluchend griff sie nach einem der Schwangerschaftstests und rannte ins Bad. Zuerst dachte sie, sie würde nicht pinkeln können. Das hätte ihr gerade noch gefehlt. Sie zwang sich, ruhiger zu werden und atmete ein paarmal tief ein und aus. Und schickte ein kurzes Stoßgebet zum Himmel. Wenige Augenblicke später, während sie den Kirschgeschmack des Bonbons noch auf der Zunge schmeckte, starrte sie auf das Teststäbchen, in dessen Sichtfenster das Wort SCHWANGER stand. »Nein.« Sie packte das Stäbchen und schüttelte es, als wäre es ein Thermometer, bei dem alles wieder normal wurde, wenn man es herunterschüttelte. »Nein, nein, nein! Was soll das? Was bist du?« Sie sah
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