Rote Lilien
angeschwollen.«
»Da sind sie nicht die einzigen«, murmelte sie. Doch dann stellte sie sich neben ihn und musterte die Pflanzen, die sie vor ein paar Wochen mit ihm zusammen gekreuzt hatte. »Schau. Die Kapseln sind voll entwickelt. Es wird noch drei, vier Wochen dauern, bis die Samen reif sind. Dann platzt die Kapsel auf. Wir sammeln die Samen und pflanzen sie ein.
Draußen, nicht hier drinnen. Und im Frühling keimen sie. Wenn sie so sieben, acht Zentimeter groß sind, pflanzen wir sie ins Freigelände.« Es war keine Verzögerungstaktik, wenn sie jetzt mit ihm über ein gemeinsames Projekt sprach. Es war ... höflich. »Und dann?«
»Normalerweise blühen sie in der zweiten Saison zum ersten Mal. Dann erfassen wir die Unterschiede, die Ähnlichkeiten, die Merkmale. Was wir wollen, ist eine Miniaturlilie in einem kräftigen Pinkton und einem Hauch von Rot auf den Blütenblättern. Und wenn wir das erreicht haben, haben wir eine neue Sorte: Hayleys Lily.«
»Und wenn nicht?«
»Pessimismus ist kein Freund des Gärtners, aber wenn wir es nicht schaffen, bekommen wir mit Sicherheit etwas anderes, das vielleicht genauso schön ist. Und wir werden es wieder versuchen. Aber eigentlich wollte ich dich fragen, ob du mit mir zusammen an einer Rose arbeiten willst, für meine Mutter.«
»Oh, ähm ...« Wenn es ein Mädchen würde, könnten sie es vielleicht Rose nennen. »Das ist aber ein schönes Geschenk für sie.«
»Mitch ist auf die Idee gekommen, aber der Mann würde nicht einmal Gartenkresse zum Keimen bekommen. Er will eine schwarze Rose haben. Bis jetzt hat es noch niemand geschafft, eine echte schwarze Rose zu züchten, aber ich dachte, wir könnten eine Weile herumspielen und sehen, was dabei herauskommt. Die Jahreszeit ist genau richtig dafür - das Gewächshaus wird bald desinfiziert, gelüftet und getrocknet. Hygiene ist für diese Art von Arbeit unerlässlich, und Rosen sind ziemlich empfindlich. Sie brauchen eine Menge Pflege, aber es wird bestimmt Spaß machen.« Er sah so aufgeregt aus, weil er etwas Neues schaffen wollte, dachte sie. Doch wie würde er aussehen, wenn sie ihm sagte, dass er das bereits getan hatte? »Erklär-s mir noch mal«, bat sie ihn. »Bei einer Kreuzung sucht man sich die Elternpflanzen aus - eine weibliche Pflanze und eine männliche Pflanze. Nach bestimmten Kriterien.« Ihre blauen Augen, Harpers braune. Seine Geduld, ihre impulsive Art. Was würde dabei herauskommen?
»Genau. Man versucht, sie miteinander zu kreuzen, um etwas Neues mit den besten - oder zumindest den gewünschten - Eigenschaften beider Elternteile zu schaffen.« Sein Temperament, ihr Dickschädel. Großer Gott.
»Bei Menschen funktioniert das aber nicht so.«
»Wohl kaum.« Er drehte sich zu seinem Computer um und gab ein paar Daten ein. »Und bei Menschen ist es nicht immer geplant. Sie lernen sich nicht kennen und sagen dann irgendwann, he, komm, wir kreuzen uns.« Er lachte. »Das wäre ein toller Spruch, um eine Frau anzubaggern. Ich würde ihn mir ja aufschreiben, aber da ich schon eine Freundin habe, wäre es reine Zeitverschwendung.«
»Zurück zum Thema. Bei einer Kreuzung geht es also darum, etwas zu schaffen - etwas Neues, etwas Eigenes. Und nicht nur um den Spaß an der Sache.«
»Mhm. Hab ich dir schon den Schneeball gezeigt? Die Wurzeltriebe sind ein Problem, aber sonst entwickelt er sich ganz gut.«
»Harper.« Hayley traten schon wieder Tränen in die Augen.
»Harper, es tut mir Leid.«
»So schlimm ist das nun auch wieder nicht«, sagte er mit dem Rücken zu ihr. »Die Wurzeltriebe bekomme ich schon in den Griff.«
»Ich bin schwanger.« Sie hatte es gesagt, dachte sie. Schnell und schmerzlos.
Als würde sie ein Pflaster von einer Wunde reißen. »Was hast du gesagt?« Er hörte auf zu tippen und schwenkte seinen Drehstuhl herum. Sie konnte den Ausdruck auf seinem Gesicht nicht lesen. Vielleicht lag es daran, dass sie vor lauter Tränen halb blind war. Und den Ton in seiner Stimme konnte sie auch nicht hören, weil es in ihren Ohren dröhnte wie ein Wasserfall. »Ich hätte es wissen müssen. Ich bin die ganze Zeit so müde, und meine Tage habe ich auch nicht bekommen, aber das hab ich dann gleich wieder vergessen. Manchmal wird mir übel, und ich bin richtig launenhaft geworden, aber das habe ich alles auf die Sache mit Amelia geschoben. Ich hab es einfach nicht gemerkt. Es tut mir Leid.«
Es sprudelte einfach aus ihr heraus, so unzusammenhängend und abgehackt,
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