Rote Lilien
dass sie es selbst kaum verstehen konnte. Sie brach ab, als er die Hand hob.
»Schwanger? Du hast gesagt, du bist schwanger?«
»Mein Gott, muss ich dir das Wort buchstabieren?« Da sie nicht wusste, ob sie weinen oder einen Wutausbruch bekommen sollte, zog sie das Teststäbchen aus der Tasche. »Hier, da kannst du es selber lesen.«
»Moment mal.« Er nahm ihr das Stäbchen aus der Hand und starrte es an. »Wann hast du es herausgefunden?«
»Heute. Vorhin. Ich war einkaufen im Wal-Mart. Ich hab Lilys Windeln vergessen und mir Wimperntusche gekauft. Was bin ich für eine Rabenmutter.«
»Jetzt beruhige dich erst mal.« Er stand auf, legte ihr die Hände auf die Schultern und drückte sie auf den Stuhl.
»Alles in Ordnung mit dir? Ich meine, tut dir was weh oder so?«
»Mir tut nichts weh. Mein Gott, Harper!«
»Jetzt geh doch nicht gleich wieder auf die Palme.« Er fuhr sich mit der Hand über den Nacken, während er sie musterte. Ungefähr so, dachte sie, wie er sich seine Pflanzen ansah. »Das ist alles ein bisschen neu für mich. Wie sehr bist du schwanger?«
»Ich bin richtig schwanger.«
»Verdammt, Hayley, ich meine, wie weit bist du, oder wie immer man das auch nennt.«
»Ich glaube, sechs Wochen. Fünf oder sechs.«
»Wie groß ist es da drin?« Sie fuhr sich mit der Hand durchs Haar. »Ich weiß nicht. So groß wie ein Reiskorn?«
»Wow.« Er starrte auf ihren Bauch und legte eine Hand darauf. »Wow. Wann fängt es an, sich zu bewegen? Und wann bekommt es Finger und Zehen?«
»Harper, könnten wir uns bitte auf das Wesentliche konzentrieren?«
»Ich weiß überhaupt nichts darüber. Aber das werde ich nachholen. Du musst zum Arzt, nicht wahr?« Er packte ihre Hand. »Wir sollten sofort gehen.«
»Ich muss jetzt nicht zum Arzt. Harper, was sollen wir tun?«
»Was meinst du mit >Was sollen wir tun?< Wir bekommen ein Baby. Heiliger Strohsack!« Er riss sie vom Stuhl und hob sie in die Luft. »Wir bekommen ein Baby!« Sie musste sich mit den Händen auf seinen Schultern abstützen. »Du bist nicht böse?«
»Warum sollte ich denn böse sein?«
Seine Reaktion überwältigte sie so, dass sie kein Wort mehr herausbrachte. »Weil ... weil«, stotterte sie. Er ließ sie langsam auf den Stuhl sinken. Seine Stimme klang jetzt kühl und nüchtern. »Du willst das Kind nicht.«
»Ich weiß es nicht. Wie soll ich darüber nachdenken, was ich will? Ich kann gar nicht mehr denken.«
»Eine Schwangerschaft hat Einfluss auf die Gehirnströme. Interessant.«
»Ich ...«
»Okay, das Denken übernehme ich. Du gehst zum Arzt, damit wir wissen, dass da drin alles in Ordnung ist. Wir heiraten. Und im nächsten Frühling haben wir ein Baby.«
»Heiraten? Harper, man sollte nicht heiraten, nur weil ...« Obwohl er sich an den Arbeitstisch hinter sich lehnte, brachte er es fertig, ihr das Gefühl zu geben, in eine Ecke gedrängt worden zu sein. »Ich kenne eine Menge Leute, die sich lieben und heiraten, wenn sie ein Baby bekommen. Das ist jetzt vielleicht ein bisschen früher als geplant, aber die Umstände machen es notwendig.«
»Ich wusste gar nicht, dass wir einen Plan hatten.«
»Ich hatte einen.« Er streckte den Arm aus und strich ihr eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Dann zog er sie leicht an den Haaren. »Du weißt, dass ich dich liebe. Und ich will das Kind haben. Wir machen das jetzt richtig, und daher heiraten wir.«
»Dann befiehlst du mir also, dich zu heiraten?«
»Ich hatte geplant, dir in nicht allzu ferner Zukunft einen Heiratsantrag zu machen. Aber da sich die Planung gerade geändert hat - und du wegen der Schwangerschaft sowieso nicht mehr denken kannst -, machen wir es eben so.«
»Du regst dich kein bisschen darüber auf.«
»Nein.« Er unterbrach sich für einen Moment, wie um zu überlegen. »Ich bin ein bisschen erschrocken, und es hat mich ziemlich eingeschüchtert. Lily wird es gefallen. Bald hat sie einen Bruder oder eine Schwester, die sie ärgern kann. Meine Brüder werden Augen machen, wenn ich ihnen erzähle, dass sie Onkel werden. Und ich bin gespannt, wie meine Mutter reagieren wird, wenn ich ihr sage, dass sie ...«
»Großmutter wird«, beendete Hayley den Satz für ihn. Sie nickte, insgeheim erleichtert darüber, endlich einen Funken des Zweifels in seinen Augen zu sehen. »Was meinst du? Was wird sie dazu sagen?«
»Ich werde es noch früh genug herausfinden.«
»Das ist alles zu viel für mich.« Sie presste die Handballen auf ihre Augen,
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