Rote Lilien
nicht. Doch. Einen schlanken, warmen Körper mit endlos langen Beinen und glatter Haut. Volle Lippen und große blaue Augen. Da das nicht zur Debatte stand, beschloss er, den Wasserhahn in der Dusche auf kalt zu stellen.
Als er mit tropfenden Haaren in die Küche ging, um sich sein Bier zu holen, trug er nur ein Paar uralte, abgeschnittene Jeans. Die Küche war genauso klein wie der Rest seines Hauses. Er brauchte keine großen Räume - er war in einem Haus mit großen Räumen aufgewachsen. Außerdem fand er seine kleinen Zimmer sehr praktisch. Für ihn war das umgebaute einstöckige Kutscherhaus eine Art Cottage. Es lag ein ganzes Stück vom Haupthaus entfernt, umgeben vom Garten mit seinen gewundenen Wegen und alten, Schatten spendenden Bäumen, was dem Haus die Art von Abgeschiedenheit und Privatsphäre gab, die er so schätzte. Trotzdem lebte er so nah am Haupthaus, dass er sofort zur Stelle war, wenn seine Mutter ihn brauchte. Wenn er Gesellschaft wollte, brauchte er nur hinüberzugehen. Wenn nicht, blieb er zu Hause. Allerdings musste er zugeben, dass er meistens zu Hause blieb. Er konnte sich noch gut daran erinnern, wie er vor dem Einzug in das Kutscherhaus verkündet hatte, er wolle lediglich die Wände weiß streichen und sonst nichts renovieren. Sowohl seine Mutter als auch David hatten ihm deshalb die Hölle heiß gemacht und erst Ruhe gegeben, als er eingelenkt hatte.
Die beiden hatten Recht gehabt, das musste er zugeben. Die Wände der Küche in silbrig schimmerndem Salbeigrün, die steingrauen Arbeitsplatten und das auf alt getrimmte Holz der Schränke gefielen ihm sehr. Vermutlich war das auch der Grund dafür, warum er die Küche dann mit altem Steinzeug und Porzellan dekoriert hatte und auf den Fensterbänken Kräuter zog. Es war ein hübscher Raum, selbst wenn er nur ein Sandwich an der Spüle aß. Er stand gern dort und sah auf sein eigenes kleines Gewächshaus und den in voller Blüte stehenden Sommergarten hinaus. Ihm fiel auf, dass die Hortensien dieses Jahr so groß wie Fußbälle waren. Das Eisen, mit dem er sie gedüngt hatte, hatte für eine intensive Blaufärbung der Blüten gesorgt. Vielleicht würde er später einige davon abschneiden und irgendwo im Haus in eine Vase stellen. Unzählige Schmetterlinge flatterten um die Pflanzen, die er und seine Mutter gepflanzt hatten, um sie anzulocken. An den lila Kornblumen, leuchtend gelben Mädchenaugen, duftendem Eisenkraut und zeitlosen Astern blitzte ein Gewirr aus bunten Flügeln auf.
Dazwischen schimmerten die eleganten Blüten der Taglilien. Vielleicht sollte er auch von den Taglilien einige Blüten abschneiden und sie ins Lilys Zimmer stellen. Die Kleine liebte Blumen und freute sich immer sehr, wenn er mit ihr im Garten spazieren ging, damit sie die Pflanzen berühren konnte. Und wenn er ihr dann die Namen der Pflanzen vorsagte, wurden ihre Augen, die so blau wie die ihrer Mutter waren, immer ganz groß und rund. Ganz so, als würde sie alles verstehen und es sich merken. Du lieber Himmel. Wer hätte gedacht, dass er einmal derart in ein Kind vernarrt sein würde. Aber es war so süß, wenn sie mit ihrer kleinen Hand in der seinen durch den Garten marschierte und dann stehen blieb und mit ihrem hübschen Gesichtchen zu ihm aufschaute und ihn anstrahlte, weil sie wusste, dass er sie gleich hochnehmen würde. Und wenn sie ihn umarmte oder sein Haar tätschelte, war er einfach hin und weg. Es war einfach unglaublich, auf eine so offene, unkomplizierte Art zu lieben und geliebt zu werden. Er trank einen Schluck Bier und öffnete die Tür des Gefrierschranks, um nach der Pizza zu suchen.
Das Klopfen an der Haustür hörte er Sekunden, bevor sie geöffnet wurde. »Ich hoffe, ich unterbreche gerade eine Orgie«, rief David. Als er in die Küche kam, sah er Harper fragend an. »Wo sind die Tänzerinnen?«
»Gerade gegangen.«
»Anscheinend haben sie dir vorher noch die Kleider vom Leib gerissen.«
»Du weißt doch, wie Tänzerinnen sind. Möchtest du ein Bier?«
»Klingt verlockend, aber ich warte lieber auf meinen Martini mit Grey Goose.
Ich habe meinen freien Abend und bin auf dem Weg nach Memphis, um mich mit ein paar Freunden zu treffen. Warum verhüllst du nicht deine Brust und kommst mit?«
»Zu heiß.«
»Ich fahre, und das Auto hat eine Klimaanlage. Jetzt zieh dir schon was Nettes an. Später wollen wir uns noch ein paar Discos ansehen.«
Harper wies mit dem Bier auf ihn. »Jedes Mal, wenn ich mir mit dir ein
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