Rote Lilien
Gartenbaubetrieb gegründet hätte, hätte ich es selbst getan. Und sie hätte sich wohl daran beteiligt, weshalb es aller Wahrscheinlichkeit nach genauso geworden wäre wie heute.«
»Roz ist einfach unglaublich, nicht wahr? Und dir ist bewusst, was für ein Glück du hast. Euer Verhältnis ist für euch nichts Selbstverständliches, das merkt man euch an. Hoffentlich ist es bei mir und Lily einmal genauso.«
»Es scheint jetzt schon so zu sein.« Hayley lächelte.
Dann stand sie auf, um zum nächsten Schössling zu gehen. »Glaubst du, das Verhältnis zwischen deiner Mutter und dir - und deinen Brüdern - ist deshalb so gut, weil ihr fast euer ganzes Leben lang keinen Vater hattet? Ich glaube, ich habe meinem Vater auch deshalb so nahe gestanden, weil es nur uns beide gegeben hat. Manchmal frage ich mich, ob das tatsächlich der Grund dafür gewesen ist.«
»Vielleicht.« Beim Arbeiten fiel sein dichtes schwarzes Haar nach vorn. Verärgert darüber, dass er seine Baseballkappe vergessen hatte, schüttelte er es aus dem Gesicht. »Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie sie und mein Vater miteinander umgegangen sind. Es war etwas ganz Besonderes. Bei Mitch ist es ähnlich - aber nicht genauso. Vermutlich ist es nie genauso; das soll es auch nicht sein. Aber die beiden haben eine ganz besondere Beziehung zueinander. Und das hat sie auch verdient.«
»Stellst du dir manchmal vor, wie es wäre, jemanden zu finden? Jemanden, mit dem du auch so eine ganz besondere Beziehung hättest?«
»Ich?« Sein Kopf schoss nach oben, und um ein Haar hätte er sich mit dem Messer geschnitten. »Nein. Na ja, vielleicht für später. Für irgendwann mal. Warum fragst du? Tust du das etwa?« Er hörte, wie sie seufzte, als sie zum nächsten Schössling ging. »Für irgendwann mal.«
Nachdem sie mit dem Okulieren fertig waren und Hayley gegangen war, lief Harper zum Teich. Er leerte seine Taschen, warf die Sonnenbrille ins Gras und sprang ins Wasser. Das tat er seit seiner Kindheit - mit oder ohne Kleidung. An einem schwülheißen Hochsommertag gab es nichts Besseres zum Abkühlen als ein schnelles Bad im Teich. Um ein Haar hätte er sie geküsst. Und noch etwas ganz anderes mit ihr gemacht, gestand er sich ein, als er zwischen den Seerosenblättern und gelben Schwertlilien untertauchte. Er hatte an mehr gedacht als nur an einen Kuss - einen heißen, gierigen Kuss, während er sie berührt hatte. Er musste es verdrängen, so wie er das seit über einem Jahr tat. Sie wollte nur Freundschaft von ihm. Vermutlich sah sie in ihm eine Art Bruder. Also musste er seine ganz und gar nicht brüderlichen Gefühle für sie unterdrücken, bis es ihm gelungen war, auch noch den letzten Funken auszuschlagen. Oder bis er verbrannte. Es war wohl am besten, wenn er wieder öfter ausging. Er verbrachte viel zu viel Zeit allein zu Hause. Vielleicht sollte er am Abend in die Stadt fahren - ein paar Anrufe machen, sich mit Freunden treffen. Ein Rendezvous wäre noch besser.
Abendessen, schöne Musik. Eine Nacht im Bett einer willigen Frau. Das Problem dabei war, dass er sich keine willige Frau vorstellen konnte, mit der er zusammen sein wollte. Mit der er zu Abend essen, Musik hören, ins Bett gehen wollte. Und genau das war symptomatisch für den erbärmlichen Zustand seines Liebeslebens. Er hatte keines. Er war einfach nicht in der Stimmung für das Spiel, das zwischen den Bettlaken endete. Er brachte es nicht über sich, eine andere Frau anzurufen und ihr den glühenden Verehrer vorzuspielen, während die Frau, die er haben wollte, in seinem Haus schlief. Und für ihn so unerreichbar wie der Mond war. Er zog sich aus dem Wasser und schüttelte sich wie ein Hund.
Vielleicht sollte er wirklich in die Stadt fahren. Er suchte seine Sachen zusammen und steckte sie in seine tropfenden Taschen. Herausfinden, ob einer seiner unverheirateten Freunde Lust hatte, sich mit ihm einen Film anzusehen, ein Steak zu essen, in eine Disco zu gehen. Irgendetwas, um ihn für eine Nacht auf andere Gedanken zu bringen.
Doch als Harper zu Hause war, hatte er keine Lust mehr zum Ausgehen. Er fand alle möglichen Ausreden: Es war zu heiß, er war zu müde, er wollte nicht fahren. Eine Dusche und ein kaltes Bier erschienen ihm weitaus attraktiver. Außerdem war er ziemlich sicher, dass er unter den Resten von Mahlzeiten, die David ihm immer aufdrängte, noch eine gefrorene Pizza finden würde. Und im Fernsehen lief ein Baseballspiel. Mehr brauchte er gar
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