Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Rote Lilien

Rote Lilien

Titel: Rote Lilien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Roberts
Vom Netzwerk:
aber bei ihrem ersten Versuch stellte sie sich mit Absicht sehr ungeschickt an. »Nein, du musst den Schössling zwischen die Beine nehmen, so etwa.« Wie erhofft stellte sich Harper dicht hinter sie und fasste mit den Armen um sie herum. In ihrem Bauch flatterten Schmetterlinge, als sich seine Hände um ihre Handgelenke schlossen. »Beug dich noch etwas mehr hinunter und bleib ganz locker in den Knien. Ja, genau so.« Er führte ihre Hand, um ihr den Schnitt zu zeigen. »Nur ein kleines Scheibchen von der Rinde«, murmelte er, während sein Atem ihr Ohr streifte. »Siehst du, da ist das Kambium. Ganz unten, an der Stelle, wo das Auge hinkommt, musst du einen kleinen Rand lassen.«
    Er roch wie ein Baum, irgendwie warm und erdig. Sein Körper, der dicht an sie gepresst war, fühlte sich fest und muskulös an.
    Hayley wünschte, sie könnte sich umdrehen und sich an ihn schmiegen. Dann brauchte sie sich nur noch auf die Zehenspitzen zu stellen, damit ihre Lippen sich fanden. Es war ein Trick, und sie sollte sich dafür schämen, doch sie drehte den Kopf nach hinten und sah ihm tief in die Augen. »Ist es so besser?«
    »Ja. Viel besser.« Wie erhofft wanderte sein Blick nach unten und blieb an ihrem Mund hängen. Klassischer Schachzug, dachte sie. Klassisches Ergebnis.
    »Ich ... ich zeig dir, wie der Rest geht.« Er starrte sie einen Moment lang verständnislos an, wie ein Mann, der plötzlich nicht mehr wusste, was er eigentlich tun wollte. Hayley war begeistert. Dann trat er einen Schritt zurück und suchte in seiner Werkzeugtasche nach dem Veredelungsband. Das war schön, dachte sie. Sie war ihm für ein paar Sekunden ganz nah gewesen. Jetzt spielten ihre Hormone zwar verrückt, aber es war ein gutes Gefühl, wieder einmal ein Kribbeln im Bauch zu haben. Zur Strafe für ihre kleine List verhielt sie sich jetzt mustergültig und spielte die eifrige Schülerin, während sie das Auge. so auf der Unterlage platzierte, dass zwischen den beiden Kambiumschichten so wenig Luft war wie zwischen ihrem und Harpers Körper gerade eben. Sie folgte Harpers Anweisungen und umwickelte das Auge auf der Unterlage mit dem Band. »Gut. Perfekt.« Er war immer noch ein wenig atemlos, und seine Handflächen waren so feucht geworden, dass er sie auf den Knien seiner Jeans abwischen musste. »In sechs Wochen oder zwei Monaten wird das Auge angewachsen sein, dann können wir das Band abnehmen. Nächstes Jahr, gegen Ende des
    Winters, schneiden wir den oberen Teil des Sprösslings genau über dem Auge ab, und im Frühling wächst aus dem eingesetzten Auge ein Trieb. Das war's dann.«
    »Macht Spaߟ, nicht wahr? Man nimmt ein kleines bisschen von der einen Pflanze, ein kleines bisschen von der anderen, und daraus entsteht dann- eine neue Pflanze.«
    »Genau das ist die Absicht.«
    »Zeigst du mir irgendwann mal noch ein paar der anderen Verfahren? Wie die, die du im Veredelungshaus anwendest?« Hayley hatte sich über die nächste Unterlage gebeugt. »Roz und Stella haben mir ein paar Veredelungsmöglichkeiten gezeigt, und ich habe auch selbst schon ein paar Pflanzen in Anzuchtschalen ausgesät. Ich würde gern etwas im Veredelungshaus ausprobieren.« Dann würde er mit ihr in der feuchten Hitze des Gewächshauses allein sein. Vermutlich würde er sich die Hände auf den Rücken binden müssen, um nicht über sie herzufallen. »Sicher. Kein Problem.«
    »Harper?« Sie kniete sich auf den Boden, um das Auge auf der Unterlage anzubringen. »Als deine Mutter die Gärtnerei aufgemacht hat, hast du da geglaubt, dass es je so werden würde wie heute?« Er musste sich auf das, was sie sagte, konzentrieren und die Reaktion seines Körpers auf sie ignorieren - oder zumindest schweigend erdulden. Sie war Lilys Mutter, ermahnte er sich.
    Gast in seinem Haus. Eine Angestellte. Ging es denn noch komplizierter? Großer Gott. Hilfe. »Harper?«
    »Entschuldige.« Er wickelte Veredelungsband um ein Auge. »Ja, hab ich.« Als sein Blick über die Anbauflächen und die Beete hinweg zu den Gewächshäusern und Lagerschuppen ging, wurde er ruhiger. »Vermutlich konnte ich es mir damals schon so gut vorstellen, weil es genau das war, was ich auch wollte. Und wenn Mutter sich etwas in den Kopf gesetzt hat und sich dafür ins Zeug legt, kann man davon ausgehen, dass es genau so wird, wie sie sich das gedacht hat.«
    »Wenn deine Mutter die Gärtnerei nicht aufgemacht hätte, was würdest du dann heute machen?«
    »Genau das, was ich jetzt mache. Wenn sie keinen

Weitere Kostenlose Bücher