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Rote Lilien

Rote Lilien

Titel: Rote Lilien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Roberts
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beide jung, ungebunden und gesund. Eigentlich hätte es ganz einfach sein müssen. Wenn man sich liebt, sollte das Gewicht haben. Sie musste an Harpers Worte denken. Ihre Situation hatte mit Sicherheit Gewicht. Es war Zeit, dass sie das endlich einmal als Vorteil und nicht immer nur als Nachteil sah. »Ich mache es mir selber schwer, Lily. Ich kann nichts dafür. Aber ich werde versuchen, das zu ändern.« Sie legte die Ohrringe an - lange, glitzernde Hänger aus Gold - und überlegte, ob sie noch eine Kette tragen sollte, entschied sich dann aber dagegen. Mehr Schmuck als die Ohrringe brauchte sie nicht. »Und?« Sie trat einen Schritt zurück und drehte sich vor ihrer Tochter. »Was meinst du? Sieht Mama hübsch aus?« Lily grinste breit und kippte den Inhalt der Handtasche aus.
    »Ich interpretiere das mal als Ja«, sagte Hayley. Dann drehte sie sich zum Spiegel um, um sich noch einmal anzusehen. Ihr stockte der Atem, und gleich darauf wurde ihr schwindelig. Sie trug ein rotes Kleid, aber nicht das kurze mit den Spaghettiträgern, das sie seit über zwei Jahren besaߟ.
    Es war lang und aufwändig gearbeitet, mit einem Ausschnitt, der so tief war, dass ihre Brüste von der roten Seide eingerahmt wurden. Auf ihrer nackten Haut glitzerte eine Kaskade aus Rubinen und Diamanten. Ihr Haar war zu einer komplizierten Konstruktion aus schimmernden goldenen Locken aufgetürmt, von denen einige so zurechtgezupft waren, dass sie ein auffallend hübsches Gesicht mit vollen roten Lippen und kühlen grauen Augen umrahmten. »Ich bin nicht du«, flüsterte sie. »Ich bin nicht du.« Sie wandte sich langsam ab und bückte sich, um das auf dem Boden verstreute Spielzeug ihrer Tochter aufzusammeln. »Ich weiߟ, wer ich bin. Ich weiߟ, wer sie ist. Wir sind uns nicht ähnlich.« Plötzlich geriet sie in Panik und drehte sich blitzschnell wieder um. Fast hatte sie erwartet, das Amelia aus dem Spiegel stieg und zu Fleisch und Blut wurde. Doch im Spiegel sah sie nur sich selbst. Ihre Augen waren weit aufgerissen und hoben sich dunkel von ihren bleichen Wangen ab.
    »Komm mit, Lily.« Sie packte ihre Tochter, und als diese lautstark protestierte, griff sie sich außer ihrer Abendtasche auch noch die alte Handtasche. Sie zwang sich dazu, ganz normal zu gehen. Als sie die Treppe erreichte, wurde sie noch langsamer. Roz würde ihr den Schock ansehen, doch sie wollte jetzt nicht darüber reden. Nur für den einen Abend noch wollte sie die Illusion aufrechterhalten, dass alles ganz normal war. Also lieߟ sie sich Zeit und wartete, bis sich ihr Atem beruhigt hatte und sie ihren Gesichtsausdruck wieder unter Kontrolle hatte. Dann ging sie mit Lily auf dem Arm ins große Wohnzimmer und lächelte die anderen an.

10. Kapitel
    Die Hitze brodelte am Himmel, während sie nach Memphis fuhren. Der Verkehr war chaotisch, doch Harper schien es nichts auszumachen. Sie kamen nur langsam voran, aber im Wagen war es kühl, und aus den Lautsprechern kam Coldplay. Manchmal nahm er die Hand vom Steuer und legte sie über die ihre. Eine kleine vertraute Geste, die ihr Herz höher schlagen lieߟ. Es war richtig gewesen, ihm nichts von dieser Erscheinung - oder was immer es auch gewesen war - in ihrem Schlafzimmerspiegel zu erzählen. Morgen war noch früh genug. »Hier bin ich noch nie zum Essen gewesen«, sagte sie, als sie auf den Parkplatz des Hotels fuhren. »Es wird bestimmt toll.«
    »Eines der ersten Häuser am Platz.«
    »Einmal bin ich in der Lobby gewesen. Man war nicht in Memphis, wenn man nicht die Enten in der Hotelhalle des Peabody gesehen hat. Das wäre so, als würde man die Beale Street oder Graceland auslassen.«
    »Du hast Sun Records vergessen.«
    »Oh! Was für ein himmlischer Ort.« Sie warf ihm einen strengen Blick zu. »Und glaub nur nicht, dass ich es nicht merke, wenn du über mich lachst.«
    »Ich lache ja gar nicht. Ich schmunzle nur ein bisschen.«
    »Jedenfalls hat das Peabody eine beeindruckende Lobby. Hast du gewusst, dass die Enten seit fünfundsiebzig Jahren jeden Morgen zum Brunnen laufen und die Hotelhalle am Nachmittag wieder verlassen?«
    »Wirklich?« Sie gab ihm einen kleinen Schubs, während sie auf das Hotel zugingen. »Da du hier geboren bist, weiߟt du vermutlich alles, was es über dieses Hotel zu wissen gibt.«
    »Es gibt einiges, das ich noch nicht weiߟ.« Er führte sie in die Lobby. »Was hältst du davon, wenn wir vor dem Essen noch einen Drink am Brunnen nehmen?« Sie
    dachte an etwas Mondänes,

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