Rote Lilien
abendliche Ritual zwiespältige Gefühle aus. Sie hatten sich angewöhnt, abends zusammen zu essen. Lily saß in dem Hochstuhl, den er vom Haupthaus herübergeschleppt hatte, und er und Hayley am Tisch. Zusammen in der Küche zu sitzen, zu essen und sich dabei zu unterhalten, schien so einfach zu sein, dass es ihn ganz nervös machte. Ihre Beziehung wurde immer enger - wie ein Boot, das bei einer leichten Brise auf die Küste zusteuert. Er war sich nur nicht ganz sicher, wie es ausgehen würde, wenn es aufs Ufer traf - würde es eine Katastrophe oder ein Happyend werden? Er fragte sich, ob Hayley unter ihrem gelassenen Äußeren nicht auch etwas angespannt wirkte. Oder übertrug er nur seine eigene Nervosität auf sie? Es wirkte alles so normal, wenn sie am Ende des Tages zusammen am Tisch saßen und über die Arbeit oder Lily sprachen. Doch in die friedliche Atmosphäre mischte sich noch etwas anderes. Eine Art Anspannung, ein Gefühl. Hier sind wir, und hier bleiben wir, zumindest fürs Abendessen. Wie viel lag ihm - oder ihnen beiden - daran, das »zumindest fürs Abendessen« beizubehalten? »Wenn es morgen im Verkauf nicht so hektisch zugeht, könnte ich dir zeigen, wie man eine Kreuzung macht«, fing er an.
»Ein bisschen Ahnung hab ich schon. Roz hat es mir an einem Löwenmäulchen gezeigt.«
»Ich hatte an eine Lilie gedacht. Sie eignen sich gut für Kreuzungen. Wir könnten es mit einer Miniaturversion in einem kräftigen Pink versuchen und sie nach Lily nennen.« Hayley strahlte. »Wirklich? Du willst eine neue Sorte nach ihr nennen? Oh, Harper, das ist so lieb von dir.«
»Ich hatte an ein richtig kräftiges Pink gedacht, mit einem Hauch von Rot auf den Blütenblättern. Rot ist deine Farbe, dann könnte man sie vielleicht >Hayleys Lily< nennen.«
»Ich fang gleich an zu weinen.«
»Spar dir deine Tränen für die Handbestäubung auf. Es funktioniert nicht immer gleich beim ersten Mal, und das kann einen ganz schön frustrieren.«
»Ich würde es wirklich gern versuchen.«
»Abgemacht. Was hältst du davon, Kleines?«, fragte er Lily. »Willst du deine eigene Blume haben?« Sie nahm eine grüne Bohne zwischen zwei Finger und ließ sie auf den Boden fallen. »Ich glaube, die Blume gefällt ihr besser als das Gemüse auf ihrem Teller. Das soll heißen, dass sie fertig ist.« Hayley stand auf. »Ich mach sie sauber.«
»Das könnte ich doch machen. Ich könnte sie baden.« Hayley lachte und schob das Tablett des Hochstuhls zur Seite. »Hast du schon mal ein Kleinkind gebadet?«
»Nein, aber ich hab selbst schon ein paarmal gebadet. Ich weiß, wie das geht. Ich lasse Wasser in die Badewanne, werfe sie rein und drücke ihr die Seife in die Hand. Dann hole ich mir ein Bier, und wenn das leer ist, trockne ich sie ab. Das war ein Witz«, sagte er schnell, als
Hayley die Augen aufriss. Er schnallte Lily los und nahm sie auf den Arm.
»Deine Mama hält mich für einen Badewannentrottel. Wir beweisen ihr jetzt das Gegenteil.«
»Aber du musst ...«
»Die ganze Zeit bei ihr bleiben. Ihr auf keinen Fall den Rücken zudrehen. Warmes Wasser, nicht heißes. Bla bla bla ...«, murmelte er, während er hinausging. Lily verabschiedete sich begeistert winkend von ihrer Mutter. Hayley steckte dreimal den Kopf ins Badezimmer, gab sich aber alle Mühe, dies so beiläufig wie möglich zu tun.
Als sie die Küche aufgeräumt hatte, rannte eine rosige, frisch gepuderte Lily durch das Haus, die nur ihre Pampers und sonst nichts trug. Einige Männer, dachte Hayley, waren ein Naturtalent, wenn es um Kinder ging. Harper schien einer von ihnen zu sein. »Und jetzt?«, fragte er. »Ich lasse sie meistens noch für eine Stunde oder so spielen, damit sie müde wird. Dann lesen wir ein Buch - oder besser gesagt, ich lese ihr aus einem Buch vor -, wenn sie lange genug sitzen bleibt. Harper, willst du uns denn gar nicht loswerden?«
»Nein. Ich hatte gehofft, dass ihr über Nacht bleibt. Ich stelle das Reisebett im Gästezimmer auf, damit wir hören, wenn sie aufwacht. Dann könntest du bei mir bleiben.« Er nahm Hayleys Hände, beugte sich vor und küsste sie. »Bleib heute Nacht bei mir.«
»Harper ...« Sie rannte hinter Lily her. »Warte«, rief sie. Als Lily zielstrebig auf einen Stapel aus Spielzeugautos und Plastiklastern zusteuerte, blieb Hayley mitten im Wohnzimmer stehen. »Wo sind die denn plötzlich hergekommen?«
»Die haben mir gehört. Einige Sachen behält man eben.« Sie stellte sich Harper als
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