Rote Lilien
weder sanft noch zärtlich, nur reine zügellose Wut. Hayley wehrte sich, schockiert darüber, so fest umklammert zu werden, dass sie sich nicht befreien konnte. Angst stieg in ihr auf, doch dann ließ er sie plötzlich los. »Und so küsse ich Frauen, mit denen ich nicht nur befreundet bin.«
»Du hast kein Recht, mich so zu behandeln.«
» Und du hast kein Recht, mir etwas vorzuwerfen, das ich gar nicht getan habe. Ich lüge und betrüge nicht, und ich werde mich für mein Verhalten auch nicht entschuldigen. Wenn du etwas über meine Beziehung zu Dory oder sonst jemandem wissen willst, dann frag. Aber mach keine falschen Anschuldigungen.«
»Ich hab doch gesehen ...«
»Vielleicht hast du das gesehen, was du sehen wolltest. Aber daran bist du selbst schuld, Hayley. Ich muss weitermachen. Und wenn du noch etwas zu dieser Sache zu sagen hast, sag es nach der Arbeit.« Er ging in Richtung Teich davon und ließ ihr keine andere Wahl, als wutentbrannt in die andere Richtung davonzustürmen.
»Und dann besaß er auch noch die Frechheit, mich anzuschnauzen und so zu tun, als sei alles meine Schuld.« Hayley ging auf der vorderen Veranda von Stellas Haus hin und her, während Lily auf dem Rasen hinter Parker herrannte. »Er hat sich benommen, als hätte ich eine schmutzige Fantasie, als wäre ich eine eifersüchtige, hysterische Kuh, obwohl ich allen Grund hatte, wütend zu sein. Schließlich hat er eine andere Frau abgeknutscht. Und das auch noch vor meinen Augen.«
»Vorhin hast du aber gesagt, sie hätte ihn abgeknutscht.«
»Es war gegenseitiges Abknutschen. Und als ich die beiden überraschte - nachdem ich mir das Ganze erst einmal eine Weile durch die Glastüren hindurch angesehen habe tut er doch tatsächlich so, als wäre gar nichts passiert. Er hat nicht mal so viel Anstand, verlegen oder nervös auszusehen.«
»Das sagtest du schon.« Zweimal, um genau zu sein, dachte Stella, aber sie wusste, wie eine Freundin zu reagieren hatte und erwähnte die Wiederholung nicht. »Hayley, du und ich kennen Harper schon eine ganze Weile. Er hätte doch mit Sicherheit ziemlich verlegen ausgesehen, wenn du ihn bei etwas Unrechtem erwischt hättest.«
»Wahrscheinlich bedeute ich ihm eben nicht so viel, um ihn wegen so etwas in Verlegenheit zu bringen.«
»Jetzt hör aber auf. Das ist nicht wahr.«
»Es fühlt sich aber so an.« Hayley ließ sich auf die Treppe fallen. »Es fühlt sich ganz furchtbar an.«
»Ich weiß.« Stella setzte sich neben sie und legte ihr den Arm um die Schulter. »Ich weiß. Und es tut mir Leid, dass er dir wehgetan hat.«
»Es ist ihm völlig egal.«
»Ist es nicht. Vielleicht hat dich das, was du gesehen hast, nur deshalb so getroffen, weil du ihn liebst.«
»Stella, er hat sie geküsst. «
»Mich hat er auch schon geküsst.«
»Das ist doch nicht dasselbe.«
»Angenommen, wir würden uns nicht kennen, und du würdest sehen, wie er mir einen Kuss gibt, was würdest du dann denken?«
»Bevor oder nachdem ich dir die Augen ausgekratzt habe?«
»Autsch. Ich will ja nicht behaupten, dass es gar nicht das war, nach was es ausgesehen hat, aber es könnte doch immerhin sein, dass du es irgendwie missverstanden hast. Ich sage das nur, weil ich Harper kenne. Und wegen seiner Reaktion.«
»Du meinst also, ich hätte viel zu übertrieben reagiert?«
»Ich meine, an deiner Stelle würde ich mir erst einmal Gewissheit verschaffen.«
»Er hat mit ihr geschlafen. Okay, okay«, murmelte sie, als Stella sie fassungslos anstarrte.
»Vor meiner Zeit. Aber sie ist so hübsch. Sie hat so einen tollen Körper und dunkle exotische Augen. Und dieser Glanz, dieser Schimmer auf ihrer Haut ... Oh, verdammt.«
»Du wirst mit ihm reden.«
»Das werd ich wohl müssen.«
»Soll ich Lily solange nehmen?«
»Nein.« Hayley stieß einen tiefen Seufzer aus.
»Es ist bald Zeit für ihr Abendessen, außerdem werden wir uns nicht so schnell anbrüllen, wenn ich sie zu Harper mitnehme.«
»In Ordnung. Wenn du möchtest, kannst du mich hinterher anrufen und mir erzählen, wie es gelaufen ist. Oder du kommst einfach noch mal vorbei. Ich stell schon mal die Eiscreme kalt.«
»So wie ich mich fühle, brauche ich eine Familienpackung für mich alleine.«
Hayley hielt Lily an der Hand, als sie an die Tür des Kutscherhauses klopfte. Als er aufmachte, fiel ihr auf, dass er gerade erst geduscht haben musste. Seine Haare waren noch ganz feucht. Doch dem Ausdruck auf seinem Gesicht nach zu urteilen, hatte
Weitere Kostenlose Bücher