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Rote Sonne über Darkover - 5

Rote Sonne über Darkover - 5

Titel: Rote Sonne über Darkover - 5 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer-Bradley
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verächtlichen Halbmann auch anderes zu erwarten? fragte eine bittere Stimme.
    Heute abend war er von seinem privilegierten Platz an der Seite seines Lords verbannt worden. Lynette, nicht er, würde in der Schlafkammer sein - Lynette mit ihren Flechten aus goldenem Haar, ihrem üppigen, kurvenreichen Körper. Eine vollständige, ganze Frau, dachte er, keine Kreatur wie ich. Ein Damm in ihm brach. Eine Flut von Tränen strömte ihm aus den Augen. Er vergrub sein Gesicht, als sich ihm ein lautes, ersticktes Schluchzen entrang, das im ganzen Schlafsaal widerhallte.
    »Sei still, Lewis-Gabriel!« ließ sich eine ungeduldige Stimme hören. »Ich habe morgen Arbeit, viel Arbeit - und ich brauche meinen Schlaf.«
    Eine andere Stimme lachte spöttisch. »Armer hübscher Junge. Er weint niedlicher, als jede Frau es fertigbrächte.«
    »Laßt ihn doch in Ruhe!« fiel eine dritte Stimme ein. »Er hat genug eigene Sorgen. Er gibt sich Mühe, der arme Kerl.«
    Lewis-Gabriel, dessen Wangen mit seinem Rücken brannten, unterdrückte sein Schluchzen so, daß es die anderen nicht störte.
    Wieder verkrampfte sich sein Magen, als er sich sein tränenfleckiges Gesicht vorstellte. »Armer hübscher Junge …«
    Ob ich gar fortgeschickt werde? Jetzt packte ihn die Furcht, und das Gefühl der Scham wurde schlimmer. Seit kurzem pflegte Lord Marek ihn nachts an Gäste auszuleihen. Er hatte sich ihnen hingegeben, hatte ihre gierigen Hände auf seinem Körper geduldet.
    Würde er weiterverkauft werden? Er sah sich schon fallengelassen, abgestoßen an ein Bordell in Ardcarran, wo er endgültig verschlissen werden würde …
    Schrille Wut raste durch sein Bewußtsein.
    … Der Falke erreicht hoch fliegend die Hellers. Sein Schrei reißt den Himmel entzwei …
    Er schlug seine Barrieren zu. Mit aller Kraft gebot er dem Zittern seines Körpers Einhalt. Irgend etwas baute sich in seinem Innern auf; sein Kopf schmerzte von der nahe bevorstehenden Explosion.
    Ich darf es nicht zulassen! Er versuchte, sich selbst Vernunft einzureden. Morgen wollte er fleißig arbeiten, um die Gunst seines Herrn wiederzugewinnen. Irgendwie würde er lernen, in seinem Geist einen Damm gegen den Strom zu errichten, der immer wieder durchzubrechen drohte.
    Er baute eine Mauer. Sie schloß den tobenden Schmerz aus, der seinen Rücken und ebenso seinen Verstand folterte. Er zwang sich zu schlafen.
    Der Traum packte ihn. Er wurde eingehüllt von dem Traum.
    Ein Verrin-Falke kreiste langsam. Die zinnoberrote Sonne badete seine Federn in einem glänzenden Kupfer. Seine bernsteinfarbenen Augen suchten, er stieß einen klagenden Schrei aus und stieg in den klaren Himmel Über den Serrais-Bergen auf
    Ein jugendlicher Reiter trabte auf einem mitternachtsschwarzen Pferd einen bewaldeten Hang hoch. Sein schönes rotgoldenes Haar wehte im frischen Sommerwind. Seine hellgrünen Augen folgten dem schwebenden Falken, und sein schmales, bartloses Gesicht lächelte glücklich. Der Falke schoß plötzlich ins Unterholz nieder. Der Jüngling zuckte unter dem Entsetzen des Rabbithorns zusammen. Dann sprang die triumphierende Freude des Falken auf ihn über. Der Falke kehrte mit der Beute zurück; er nahm sie ihm ab und belohnte ihn. Sein Blick ging zu den fernen nebelgrauen Hellers hinüber, hinter denen die grauen Wüsten des Trockenlandes lagen. Ein leises, perlendes Lachen stieg empor. Der Jüngling wendete sein Pferd und galoppierte den von Nadelbäumen bestandenen Pfad hinunter …
    Lewis-Gabriel erwachte. Er blickte auf; er lag auf seinem harten, schmalen Bett in der dumpfigen Sklaven-Unterkunft des Großen Hauses. Die untergehende Sonne schickte rote Strahlen durch das einzige hochliegende Fenster. Nicht mehr als ein Traum, dachte er voller Bedauern.
    Wieder erschien ihm das jugendliche Gesicht des Reiters - war es vielleicht das eines Emmasca? Ein Kälteschauer lief ihm über das Rückgrat. Er spürte, wie er hochschwebte, aus seinem Körper hinaus, der Sonne entgegen, deren Strahlen sich durch das Fenster ergossen … Laran, kam der Gedanke von neuem. Wie damals, als …
    Nein! Es ist unmöglich! Heftig schob er die Gedanken aus seinem Bewußtsein. Das Schwindelgefühl verging. Wieder einmal war es ihm gelungen, die Kontrolle über sich zu behalten. Für wie lange diesmal? fragte er sich voller böser Ahnungen.
    Genug, befahl er sich entschlossen. Zeit, aufzustehen. Er hatte entsetzlichen Hunger, aber er würde auf sein eigenes Frühstück warten müssen - bis Lord Marek und seine

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