Rote Sonne über Darkover - 5
anderen durchsickern konnte.
Was ist los mit mir, Lastenträger, was? Ich weiß, daß ich lieben muß, aber ich kann nicht. Ich kann keine Liebe empfinden. Und wie kann ich das auch, wenn sie …
Er wußte selbst nicht recht, was er meinte und wie er diesen Gedanken zu Ende führen sollte. Später an diesem Tag, beim Dinner, war er mißgelaunt und schweigsam, so daß sogar Domna Mirhana bemerkte, beim Anblick seines verdrießlichen Gesichts vergehe ihr der Appetit.
Cerdric hatte die rauh-zärtliche Art, in der seine Mutter scherzte, immer geliebt, aber diesmal reagierte er nicht darauf.
»Sag mir, Chiya, wie gefällt es dir hier?« fragte Domna Mirhana mich, als nach unserer Ankunft zehn Tage vergangen waren. Ich wußte nicht recht, wie ich ihr die Wahrheit sagen sollte. Tatsächlich liebte und haßte ich diesen Ort, der meine neue Heimat war. Ich wußte, das konnte sie mit ihrem Laran mühelos herausfinden, und davor hatte ich Angst. Wie sollte ich es erklären? Ich hatte in so kurzer Zeit bereits begonnen, diese Menschen, diese neuen Verwandten zu lieben, ihre warmherzige Offenheit und die selbstverständliche Art, mit der sich mich aufgenommen hatten, etwas, das ich von zu Hause nicht kannte. Gleichzeitig graute mir davor, daß sie mich bemitleideten. Ich brauchte kein Laran, um das zu erkennen, denn sie achteten so übertrieben darauf, mich ja freundlich zu behandeln. Fast wünschte ich mir, scharfe Worte zu hören, mit denen sie mir gezeigt hätten, daß sie mich für menschlich hielten, daß sie mich einfach akzeptierten als das, was ich war. Das taten sie aber nicht.
Und mein Gatte? Zuerst war es seltsam, aber es hatte sich schnell ein Umgangston entwickelt, den niemand in Frage stellte - höflich und kalt ignorierten wir einander. Es war beinahe lustig, wie es fast bis dahin kam, daß wir die kupfernen Ehearmbänder an unseren Handgelenken vergaßen. Im Haushalt waren wir einer für den anderen die einzigen und die fremdesten Fremden.
Nur eins gab mir zu denken: Warum versuchte niemand, uns zusammenzubringen? War es ihnen gleichgültig, daß wir das Ehebett noch nicht geteilt hatten? Das wußten sie alle ganz genau.
Was war dann der Sinn dieser Verbindung gewesen? Ich war überzeugt, materieller Reichtum hatte nichts damit zu tun, denn unsere beiden Familien waren stolz auf unsere hohe Stellung und unseren Besitz. Und noch weniger war es um Laran gegangen. Was also dann?
Ich konnte den Anblick Dom Cerdrics nicht ertragen. Er war, wie ich bald erfuhr, ein Cristoforo, und wenn ich nicht gewesen wäre, würde er Mönch in Nevarsin geworden sein. Das war die einleuchtendste Erklärung, die ich für den beinahe zimperlichen Abscheu fand, den er vor mir hegte, was ich genau spürte. Ich hatte von dem Glauben der Cristoforos gehört; eine ihrer mönchischen Vorschriften lautet, niemals eine Frau mit Lüsternheit zu betrachten oder etwas in diesem Sinne. Ich respektierte ihre Religion der spirituellen Liebe, aber ich verstand sie nicht ganz und hatte auch keine Lust dazu. Ich war für diesen Glauben nicht geschaffen.
Und das ist der Grund, warum ich immer noch wütender wurde.
Ich mußte ständig Cerdrics hübsches schmales Gesicht sehen und den deutlichen Widerwillen in seinen Augen lesen. Beinahe hatte ich Verständnis für seine Abneigung, denn ich sah, daß er sich gewaltig zwingen, daß er gegen seine Natur handeln mußte.
Schließlich wurde von meinem Anblick jedem übel, sogar mir selbst.
Meine Person war es, die ihm Haß statt Liebe einflößte, und auch seine Verwandten waren schuld. Das war das einzige, was ich ihnen übelnahm: Sie waren die Ursache dieser - dieser Farce.
Die anderen hatten mich jedoch auf diese oder jene Art akzeptiert.
Der kleine Rafael - wenn ich es nicht besser wüßte, würde ich sagen, er verehrte mich. Ich glaube, ich unterhielt ihn gut wie eine ältere Schwester. Einmal hatte ich mich mit ihm hingesetzt, um ihm zu zeigen, wie man das Bild eines Tieres oder eines Menschen auf Papier festhält. Ihm blieb der Mund offenstehen, und das Ende war, daß ich jeden einzelnen von der Familie zeichnen mußte. Als die älteren Familienmitglieder es sahen, besonders Domna Orina, überschütteten sie mich mit Ausrufen des Erstaunens und des Lobes und mit vielen Fragen. Anscheinend hatte ich die Ähnlichkeit zu gut getroffen. Ich versicherte ihnen, niemand habe es mich gelehrt, und dann fing Orina mit anderen Fragen an.
Schließlich gelang es mir, die Sache mit einem Scherz
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