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Rote Sonne über Darkover - 5

Rote Sonne über Darkover - 5

Titel: Rote Sonne über Darkover - 5 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer-Bradley
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abzubiegen.
    Später sprach ich wieder mit Domna Mirhana.
    Diese unsere Gespräche wurden zur regelmäßigen Einrichtung.
    Sie saß in ihrem großen Sessel, ich hockte wie ein Kind zu ihren Füßen auf einem Schemel.
    »Wie scharfsichtig du bist, Kind«, sagte sie. »Du siehst die Dinge, genau wie sie sind. Ein seltenes Talent. Es ist beinahe so kostbar wie Laran .«
    Bei diesem Wort bin ich wohl zusammengezuckt. Sie sah mich ruhig an. »Bedeutet es einen großen Schmerz für dich, mein Kind, daß du kein Laran hast?«
    Ich nickte stumm. Nach einer Weile sagte ich: »Nichts schmerzt mich mehr, Domna. Ich habe das Gefühl - ich weiß, daß es fast eine Behinderung ist.«
    »Und das gleichst du aus, indem du auf jedem anderen Gebiet alle übertriffst.«
    »Ich - alle übertreffen?« Ich lachte. »Ich kann doch gar nichts richtig! Weibliche Handarbeiten welken in meinen Händen! Meine Stiche torkeln wie eine betrunkene Hure! Beim Stricken …«
    »Oh, das ist nur, weil du nicht den Willen, nicht den echten Wunsch hast, solche Aufgaben zu meistern. Dein Kihar nährt sich durch Rebellion, und deshalb strebst du danach, wie ein Mann zu sein.«
    »Ich? Niemals! Ich …«
    »Ja, du hältst dich für unattraktiv, deshalb bezauberst du mit deiner Zunge. Du haßt dich dafür, daß du kein Laran besitzt, und deshalb ißt du zuviel, und deshalb - sieh dich an!«
    »Ja, ich bin eine fette Kuh! Ein Schwein! Das weiß ich!«
    »Dann hör auf, dich in Selbstmitleid zu wälzen, Mädchen! Zandru weiß, daß du diese zusätzliche Bürde nicht brauchst!«
    Sie hatte sich vorgebeugt und sah mich scharf an. Der wachsende Klumpen in meiner Kehle erstickte mich.
    »Aldones, hilf mir …«, flüsterte ich. Und dann kamen die Tränen.
    Ich befand mich inmitten einer Flut von Schmerz und Einsamkeit, die alles um mich ertränkte. »Ich - ich hasse alles!« stammelte ich, und dann schrie ich: »Ich hasse Euch und Euren Sohn und eure lächerlichen Berge! Ich will nach Hause … oder sterben!«
    Und dann sah ich auf, und Domna Mirhana hatte Tränen in den Augen. Götter! Sie wußte es! Sie wußte genau, was ich empfand, alles!
    Und - sie leidet auch, sie leidet mit mir, und mein Schmerz vergrößert den ihren!
    In meiner Selbstsucht war ich blind gewesen. Domna Mirhana wußte genau, was Schmerz ist, und sie starb. Götter! dachte ich, was habe ich getan!
    Und dann überkam es mich: Ich mußte ihren Schmerz lindern, ich mußte sie glücklich machen! Ihre letzten Tage sollten nicht in Schweigen vergehen. Denn ich erkannte so genau, als ob ich Laran hätte, daß sie uns bald verlassen würde. Nein, schwor ich mir, ich will etwas tun, ich will ihr Freude bringen, auf jede Weise, die mir zu Gebote steht.
    Unter lautem Schluchzen umarmte ich die zerbrechliche Gestalt, und ein Weilchen weinten wir zusammen. »Es tut mir leid … oh, es tut mir so leid!« rief ich. »Verzeiht mir meine Worte, oh, ich habe das nicht so gemeint …«

    »Ich weiß, Chiya, ich weiß. Und ich war zu barsch mit dir. Es kommt mich nur so hart an, dich in diesem selbsterzeugten Schmerz zu sehen …«
    »Aber Ihr, Ihr lebt auch in Schmerzen!« rief ich aus. »Und warum tut niemand etwas dagegen? Warum laufen sie alle herum und geben vor, Euer Zustand würde sich ganz von selbst bessern, wenn sie ihn nur ignorieren?«
    »Ich bin jenseits von jeder Hilfe, Chiya. Sie haben es versucht.«
    Und als wolle sie ihre Worte unterstreichen, hustete sie rasselnd.
    »Das kann ich nicht glauben!« beharrte ich auf meiner Meinung.
    Ihre freundlichen Augen ruhten auf mir.
    »Domna«, fragte ich da, »würde es Euch gefallen, Musik zu hören?
    Heute abend, hier?«
    Sie hob die Brauen über diesen Themenwechsel. Dann trat ein Lächeln in ihre Augen. »Ich habe lange Zeit keine Musik mehr gehört …«, sagte sie sinnend.
    »Ich spiele die Rryl, gestand ich. Und singe. Ein bißchen.«
    Wahrscheinlich las sie es in meinen Gedanken, denn sie schüttelte den Kopf. »Du setzt deine Fähigkeiten schon wieder herab, wie? Das will ich nicht haben! Deshalb sollst du heute abend für uns alle spielen und singen.«
    Cerdric erfuhr, daß Calvana sie an diesem Abend unterhalten wollte, und das verstimmte ihn nicht nur, es machte ihn zornig.
    »Genau das, was Mutter braucht«, sagte er höhnisch zu Lyanella.
    »Lärm, der sie in ihrem Zustand stört! Wenn meine Lady etwas tut, dann tut sie es gründlich. Übrigens muß ich mir diesen Kunstgenuß unglücklicherweise entgehen lassen. Ich habe noch einige wichtige

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