Rote Spur
»Sie sind wirklich naiv.«
»Inwiefern?«
»Milla, Ihr Lukas Becker arbeitet für die CIA.«
Nun war sie an der Reihe, zu lachen, wenn auch unsicher. »Sie sind doch paranoid.«
»Ehrlich gesagt war ich auch zuerst skeptisch. Bis wir die Amerikaner darüber informiert haben, dass wir von ihm wissen. Noch am selben Tag, nur wenige Stunden später war er plötzlich verschwunden. Er hatte eine neue Unterkunft, ein neues Auto, eine neue Handynummer …«
»Und deshalb glauben Sie …«
Er unterbrach sie. »Wussten Sie, dass er ein Mörder ist?«
»So ein Quatsch!«
»Julius Shabangu, über den Sie sich heute Morgen so eingehend für Becker informiert haben. Wer, glauben Sie, hat ihn eliminiert?«
»Er jedenfalls nicht.«
»Woher wissen Sie das, Milla? Weil er es Ihnen gesagt hat? Ist das ihr einziger Beweis? Denn wir wissen wesentlich mehr.«
»Das glaube ich nicht.«
»Milla, wie vertrauensselig sind Sie denn! Sie wissen, dass er in Israel und Jordanien, im Iran und in der Türkei war. Aber wissen Sie auch, warum? Überlegen Sie doch mal, Milla: In welchen Ländern ist Amerika in bewaffnete Auseinandersetzungen verwickelt? Und was ist mit seinen Konten? Macht Sie das alles kein bisschen misstrauisch? Wie kann jemand mehrere Millionen Rand in nur sechs, sieben Jahren anhäufen? Mit wissenschaftlichen Ausgrabungen? Und was für ein unglaublicher Zufall, dass er in Ihrer Tanzschule aufgetaucht ist! Zwei Mal. Und |357| warum ist er jedes Mal, wenn Sie sich getroffen haben, mit Ihnen ausgegangen, irgendwo an einen öffentlichen Ort, fern von den Mikrofonen?«
»Welche Mikrofone?« Zunächst begriff sie gar nicht die volle Tragweite dieser Information.
»Tja, Milla, wir schlafen nicht.«
»Sie haben nicht das Recht!«
»Doch, das haben wir. Die nationale Sicherheit steht auf dem Spiel, ja, es gibt sogar internationale …«
»Sie haben nicht das Recht!« Aus ihrer Stimme sprachen jetzt Wut und Scham, und sie erhob sich halb aus dem Sessel.
»Wir haben auch Ihre Tagebücher.«
Die Worte trafen sie. Und dann explodierte Milla. Sie sprang aus dem Sessel auf und ging auf Masilo los.
65
»Danke, dass Sie zurückrufen haben, Janina«, sagte Burzynski, der Stationsleiter der CIA.
»Ist doch selbstverständlich, Bruno. Tatsächlich haben wir gerade von Ihnen geredet.«
»Hoffentlich nur Gutes. Janina, ich habe Neuigkeiten aus den USA, und ich freue mich, Ihnen mitteilen zu können, dass wir Fortschritte machen. Ich möchte Ihnen gerne kurz unsere Vorgehensweise erklären. Als Erstes mussten wir absolut sichergehen, dass die
Madeleine
LRIT und AIS nicht eingeschaltet hat, und dies können wir nun bestätigen. Das letzte Signal dieses Schiffs wurde am 22. September um 23:30 Uhr empfangen, da befand es sich auf Position S13 34.973 W5 48.366, ungefähr 1500 Meilen west-nordwestlich von Walvis Bay im Atlantik. Danach hörte es auf zu senden und verschwand vom Radar. Wir haben das bei den SOLAS-Behörden überprüft und die Auskunft erhalten, dass sie die Besitzer des Schiffes ordnungsgemäß informiert, aber keine Reaktion erhalten hätten.«
|358| »Bei den Besitzern handelt es sich um eine Scheinfirma. Alle Registrierungsdaten sind gefälscht.«
»Das haben wir uns gedacht. Im zweiten Schritt haben wir alle Schiffe mit ausgeschaltetem LRIT, die in Größe und Aussehen der
Madeleine
ähneln, auf unseren Satellitenbildern gesucht und sechzehn potentielle Kandidaten gefunden, von denen bereits vierzehn mit Hilfe hoch auflösender Bildtechnik identifiziert wurden. Dabei entdeckten wir einige ziemlich interessante Fälle, Schmuggler in der Andamanensee und im südchinesischen Meer, ein Schiff, das von somalischen Piraten gekapert wurde, aber die meisten anderen haben nur Probleme mit ihrer Ausrüstung und sind alle registriert. Allein die beiden letzten sind ein wenig problematisch. Schlechte Wetterbedingungen, schlechte Sicht aus dem Weltraum …«
»Wo befinden sie sich?«
»Im Nordatlantik. Ich muss das noch einmal überprüfen. Grand Banks, irgendwo dort in der Nähe. Die Wetterbedingungen sollen sich in den nächsten zwölf Stunden verbessern, dann können wir weitersehen.«
»Bruno, ich weiß nicht, wie ich Ihnen danken soll!«
Milla traf Rechtsanwalt Tau Masilo auf den linken Wangenknochen. Sofort wollte sie wieder zuschlagen, aber diesmal packte er sie an den Handgelenken und hielt sie zurück.
»Thiba!«, rief er überrascht in seiner Muttersprache. Er stieß sie weg, sprang auf und zwang sie, sich
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