Rote Spur
ist reine Verzögerungstaktik, Tau. Es hat etwas damit zu tun, dass Becker ihnen Osman geliefert hat oder dass sie noch nicht dahintergekommen sind, was Becker gestohlen wurde. Wir müssen Becker finden. Und zwar schnell.«
»Miss Jenny ist unterwegs zu ihm.«
»Und diese kleine Mistkuh ruft ihren Anwalt an«, fügte Janina Mentz hinzu, aber eher nachdenklich.
»Ich hätte sie besser einschätzen müssen, nachdem sie derart auf mich losgegangen war«, sagte Masilo und rieb sich erneut über den Wangenknochen. »Ich habe mich in ihr getäuscht.«
»Wir hätten sie schon gleich bei ihrer Bewerbung besser einschätzen müssen, Masilo. Schließlich hatte sie den Mut, aus ihrer Ehe auszubrechen.«
Masilo dachte an das Gerücht, dass Mentz ebenfalls vor zehn Jahren ihren untreuen Ehemann verlassen hatte, und fragte sich, inwieweit sich die Direktorin mit Milla Strachan identifizierte.
Operation Shawwal
Mitschrift: Abgehörtes Gespräch, M. Strachan. Daven Court Nr. 14, Davenpoortstraat, Vredehoek
|367| Datum und Uhrzeit: 7. Oktober 2009, 23:19
LB: Warum hast du so lange ausgehalten?
MS: Das frage ich mich inzwischen täglich. Aber damals … Ich glaube, ich war … Es gibt so viele Gründe. Ich wusste gar nicht, was eine gute Ehe ausmacht, ich kannte nur die meiner Eltern, und die war nun auch nicht gerade normal. Aber was ist schon normal? Ich meine … Alle Frauen, die ich kannte, lebten in ähnlichen Situationen wie ich. Die Männer verfolgten ihre Karriere, die Frauen hockten zu Hause und jammerten, dass sie sich vernachlässigt fühlten. Mann und Frau lebten in unterschiedlichen Welten, das war die Regel, alle akzeptierten das, alle machten einfach weiter. Aber es kommt noch mehr dazu. Wenn man depressiv ist, wenn man kein Selbstvertrauen mehr hat, wenn man in der täglichen Tretmühle steckt, wenn man keinen Lebensinhalt und keine Ziele hat, dann vergeht Tag um Tag, ohne dass man sich dessen bewusst ist. Das macht die Routine, die ist so … geisttötend. Man denkt nicht mehr, man fühlt nicht mehr richtig, ich weiß nicht … wer das noch nie erlebt hat, kann es sicherlich schwer nachvollziehen. Ich … Es ist so ein stiller, langsamer Prozess, man verliert das Bewusstsein wie der Hummer im Topf. Man gewöhnt sich daran, ohne dass man es merkt. Und selbst wenn man … Ich glaube, Christo hatte schon vor zehn Jahren seine erste richtige Affäre, aber damals war ich einfach zu naiv, um etwas zu bemerken. Vielleicht habe ich es auch einfach nur verdrängt. Es ist mir erst letztes Jahr klar geworden, als … Mein Gott, das klingt alles so spießbürgerlich …«
LB: Wenn du lieber nicht darüber reden möchtest …
MS: Doch, doch, das möchte ich. Ich glaube, ich muss es sogar, auch wenn ich schon darüber Tagebuch geführt habe. Wenn ich allerdings heute lese, was ich geschrieben habe, kommt mir das alles so lächerlich vor. Ich … Alles war so offensichtlich, aber ich war wie mit Blindheit geschlagen. Nein, blind ist nicht das richtige Wort. Abgestumpft? Abwesend? Ich |368| weiß nicht, ich war so schrecklich mit mir selbst beschäftigt … Eines Abends, er stand gerade unter der Dusche, weil er wieder einmal zu einem Geschäftsessen musste, erhielt er eine SMS. Sein Handy lag unten auf dem Tisch. Ich hörte das Signal, und ich weiß bis heute nicht, wieso ich nachgesehen habe, ich habe das sonst nie getan … Es war so banal. Sie schrieb, was sie mit Christo alles machen wollte an diesem Abend. Ich weiß noch, dass ich erst dachte, sie habe sich verwählt, die SMS sei gar nicht für Christo bestimmt gewesen. Ich meine, wenn wir Sex hatten … als wir noch welchen hatten … da ging es eher ruhig zu …
LB: Milla …
MS: Ich bin hinter ihm hergefahren. Nach Tyger-Waterfront. Nicht mal weit weg, nur um die Ecke. Ganz offen haben sie sich getroffen, auf der Terrasse eines Restaurants. Sie sah so … ich weiß nicht, irgendwie gewöhnlich aus, jünger als er, aber nicht wie eine Frau, die … so eine SMS verschicken würde. Heute frage ich mich, ob sie wusste, dass sie nicht die Einzige war, sondern dass er noch drei oder vier andere hatte. Barend hat ihn nämlich einmal mit einer anderen gesehen, die noch jünger war, daher wusste er auch Bescheid.
»Wollen wir mit ihr verhandeln?«, fragte Tau Masilo.
»Auf gar keinen Fall!«, erwiderte Mentz. »Mevrou Killian soll sie anrufen und etwas sagen wie: ›Sie werden nicht mehr verdächtigt, wir mussten nur auf Nummer sicher gehen. Wir liefern heute
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