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Rote Spur

Rote Spur

Titel: Rote Spur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deon Meyer
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anderen war ich ohne Mann, mein Sohn war schon aus dem Haus. Plötzlich stand ich ganz alleine da. Aber man gewöhnt sich daran und organisiert sein Leben neu. Das habe ich auch zu Tanja gesagt, die Zeit heilt alle Wunden, man kommt schon wieder auf die Beine. Aber jetzt ist auch mein Sohn verschwunden, und das Schlimmste ist diese Ungewissheit! Von Gerber konnte ich mich verabschieden, wie schrecklich das auch war, aber es gab ein Begräbnis, einen Abschied. Für mich ist es schon schwer genug, aber ich denke an seine arme, arme Frau. Ich wünschte, ich könnte ihr alle Schmerzen abnehmen, sie auf mich nehmen. Sie leidet zu sehr.«
    »Mevrou, haben Sie noch …«
    »Gusti, bitte. ›Mevrou‹ lässt mich wie eine alte Tante erscheinen. Dabei ist man immer so jung, wie man sich fühlt.«
    »Haben Sie noch regelmäßig Kontakt zu Ihrem Sohn gehabt?«
    »O ja, ich habe einen ganz wunderbaren Sohn. Er hat mich zweimal die Woche angerufen, einmal pro Woche besucht, und ich weiß alles, was in seinem Leben vorgeht. Ich sage Ihnen, sein Verschwinden ist symptomatisch für die steigende Kriminalität in diesem Land, und es trifft einen ganz Unschuldigen, denn er hatte keine Feinde. Er war genau wie sein Vater. Alle |513| Welt liebte Gerber, deswegen saß er fast zwanzig Jahre lang im Stadtrat. Aber die Zeiten sind vorbei. Wir sind in unserem eigenen Land nicht mehr sicher. Die machen alles kaputt. Ich sage ja nicht, dass die Apartheid wieder eingeführt werden sollte, aber manche von denen sagen ja selbst, dass früher alles besser war.«
     
    Beim Abschied stand sie zu dicht bei ihm und hielt seine Hand zu lange fest. »Sind Sie verheiratet, Mat?« Dabei hätte sie doch den schmalen Goldring an seinem Finger sehen müssen.
    »Ja, das bin ich.«
    »Kommen Sie ruhig noch einmal vorbei. Wann immer Sie wollen.« Ihr Parfüm duftete intensiv, ihre Augen blickten ihn bedeutungsvoll an.
    Auf der Rückfahrt schwirrte ihm der Kopf. Er dachte über den Einfluss einer Mutter wie Gusti Flint auf ihren Sohn nach. Und darüber, wie er Margaret von diesem Erlebnis erzählen würde, denn das war das Einzige, was seine Ehefrau auf die Palme brachte: Wenn eine andere Frau ihm Avancen machte, obwohl sie genau wusste, dass er verheiratet war.
    Nachdem er bei Canal Walk abgefahren war, beschäftigte er sich wieder mit den Problemen bei den Ermittlungen. Wie konnte er die oberste Schublade von Danies Schreibtisch öffnen, ohne mehrere hundert Rand für einen Schlosser zu investieren? Als er die verschiedenen Möglichkeiten durchspielte, fiel ihm plötzlich Vaatjie de Waal ein. Am Otto du Plessis-Kreisel drehte er und fuhr den ganzen Weg bis nach Parow wieder zurück.

91
    Vaatjie de Waal lag halb in einem Subaru Outback, so dass man nur seine kurze, dicke untere Hälfte in einem schmutzigen blauen Overall hervorragen sah, während Kopf und Oberkörper unter dem Armaturenbrett verborgen waren.
    |514| »Hallo, Vaatjie«, sagte Joubert.
    »Was ist denn?«, brummte er genervt und ungeduldig.
    »Können wir uns unterhalten?«
    De Waal richtete sich auf. Er erkannte Mat Joubert, schloss die Augen, schüttelte langsam den Kopf und seufzte. »O nein!«
    »Das ist ein privater Besuch«, erklärte Joubert.
    »Red keinen Scheiß!«, erwiderte de Waal, tastete mit einer Hand auf dem Sitz herum, fand eine kleine Zange und verschwand wieder unter dem Armaturenbrett. Joubert nahm an, dass er dabei war, ein Radio ein- oder auszubauen, denn Vaatjie betrieb
Decibel Demons
, ein Geschäft für Auto-Stereoanlagen und Zubehör. Das Schaufenster an der Voortrekkerstraat verkündete:
Mad About Car Audio, Crazy Prizes, Insane Sound
. Wahrscheinlich eine kluge Werbestrategie seiner Frau, denn Vaatjies Talente lagen auf einem anderen Gebiet.
    »Ich weiß von nichts.«
    »Ich brauche dein Können, keine Informationen.«
    »Wieso das?«
    »Ich brauche jemanden, der mir eine Schreibtischschublade öffnet.«
    »Dann hol doch den scheiß Kallie Deventer.«
    »Ich bin nicht mehr im Dienst, Vaatjie.«
    Vaatjie hielt mitten in der Bewegung inne, tauchte unter dem Armaturenbrett auf, stieg erstaunlich behände aus und baute sich vor Joubert auf. Er war nur halb so groß wie sein Gegenüber, aber breiter, daher sein Spitzname Vaatjie, »Fässchen«. Sein Kopf war kugelrund, und als er die Stirn runzelte, bildete sich nur eine einzige Falte auf der hohen Stirn. »Was soll das heißen?«, fragte er und wischte sich die Hände an dem Overall ab.
    »Ich habe den Dienst quittiert,

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