Rote Spur
vertrauliche Informationen nur an die Polizei weitergeben kann. Aber weil Flints Ehefrau einen offiziellen schriftlichen Antrag eingereicht hat, bin ich befugt, Ihnen manche Fragen zu beantworten.« Ihre Stimme klang gleichmäßig und professionell. Sie bewegte sich nicht beim Reden, sondern saß stocksteif und reglos da. Vollkommen beherrscht.
»Das weiß ich zu schätzen«, sagte Joubert.
»Womit kann ich Ihnen helfen?«
Er öffnete den Reißverschluss seiner Schreibmappe, schlug eine leere Seite auf und zückte seinen Stift. »Hatten Sie den Verdacht, dass Danie Flint in irgendwelche kriminellen Machenschaften verwickelt war?«
Sie verbarg es geschickt, aber er bemerkte trotzdem, dass die Frage sie überraschte. »Kriminelle Machenschaften? Nein, keineswegs.«
»Bei ABC sind keine größeren Summen abhandengekommen?«
|552| »Gebietsleiter arbeiten nicht mit Geld, Inspekteur. Das … Nein, das ist unmöglich.«
»Und auch keiner seiner Mitarbeiter hatte irgendwie mit Geld zu tun?«
»Seine Busfahrer, aber dabei geht es nicht um große Summen, höchstens um ein paar hundert Rand täglich.«
»Mevrou, sind letztes Jahr irgendwelche großen Summen bei ABC verschwunden? In bar, um genau zu sein.«
»Ich … Ich muss sagen, mit solchen Fragen hatte ich nicht gerechnet.«
»Es wäre uns eine große Hilfe, wenn Sie sie beantworten könnten.«
»Inspekteur, die Arbeit eines Gebietsleiters … Die Art, wie wir Geld einnehmen – das hat rein gar nichts mit den Aufgaben von Danie Flint zu tun.«
»Können Sie mir erklären, wie das bei Ihnen funktioniert?«
Sie dachte nach, nickte und erzählte es ihm. Die Buspassagiere konnten im Grunde auf drei Arten Karten kaufen: direkt im Bus, beim Fahrer, in den ungefähr fünfzig Schaltern, die strategisch über die Kaphalbinsel verteilt waren, oder bei den größeren ABC-Geschäftstellen, bei denen auch die Busfahrer und Streifenkartenverkäufer täglich ihre Einnahmen abliefern mussten.
»Daher«, fuhr sie fort, »ist ein Gebietsleiter nicht im
flow
.«
»Ich verstehe«, sagte Joubert. »Aber er kennt Leute im
flow
. Er arbeitet täglich mit Personen zusammen, die Teil des Systems sind.«
»Dann könnte er höchstens indirekt beteiligt sein.«
»Das wäre in diesem Fall sehr gut möglich. Also, hat es letztes Jahr größere Diebstähle gegeben? Im September, Oktober?«
Sie saß reglos da und blinzelte lediglich ein paar Mal hinter ihren Brillengläsern. »Inspekteur, muss ich Ihren Fragen entnehmen, dass Danie Flint in eine Straftat verwickelt war?«
Joubert wusste, dass seine Antwort die Loyalität von ABC |553| gegenüber Flint – und ihre Zusammenarbeit mit ihm – stark beeinflussen würde. »Nein«, antwortete er. »Wir haben nur das Problem, die Herkunft einer bestimmten Geldsumme nicht zuordnen zu können. Ich weiß noch nicht, wie er daran gekommen ist, aber eine Straftat liegt im Bereich des Möglichen.«
Sie verarbeitete die Information, runzelte ansatzweise die Stirn. »Aber warum glauben Sie, das Geld hätte etwas mit ABC zu tun?«
»Aus statistischen Gründen.«
»Ach ja?«
»Wenn ein Angestellter ohne irgendwelche Vorstrafen eine finanzielle Straftat begeht, beträgt die Wahrscheinlichkeit über achtzig Prozent, dass sein Arbeitgeber oder sein Arbeitsumfeld davon betroffen sind.«
»Ich verstehe.«
Erneut fragte er: »Wurde letztes Jahr eine größere Summe Bargeld gestohlen?«
Bessie Heese dachte über die Frage nach. »Würden Sie mich einen Augenblick entschuldigen?«
»Natürlich.«
Sie stand auf und verließ den Raum.
Er starrte ihr nach, unbewusst ihre wohlgeformten Waden und Knöchel registrierend. Dabei war er jedoch nur auf die Frage konzentriert, ob sie die Genehmigung einholte, ihm ein Geheimnis zu enthüllen, das einen Durchbruch in dem Fall bedeuten würde.
99
Doch er wurde enttäuscht.
Sie kehrte erst nach zehn Minuten zurück und zog sorgfältig den Rock glatt, bevor sie sich wieder ihm gegenüber setzte. Dann sagte sie: »Sie müssen wissen, Inspekteur, dass ich als Leiterin der Personalabteilung nur bei Disziplinarverfahren hinzugezogen werde. Wenn Geld abhandenkommt, ohne dass man |554| jemanden direkt verantwortlich machen kann, erfahre ich nicht unbedingt davon. Deswegen musste ich mich erst bei unserem Geschäftsführer erkundigen und seine Zustimmung einholen, darüber mit Ihnen zu reden. Denn diese Informationen sind streng vertraulich.«
Joubert nickte. Er wusste, dass die meisten großen Unternehmen je nach
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